Paula Modersohn-Becker, Sitzender Mädchenakt mit Blumen,
1907, Öltempera auf Leinwand, 89 x 109 cm, Von der Heydt-
Museum, Wuppertal © Von der Heydt-Museum Wuppertal
(red.) Keine andere deutsche Künstlerin der Klassischen Moderne hat in der öffentlichen Wahrnehmung einen solch legendären Status erreicht wie Paula Modersohn-Becker (1876–1907). In ihrem kurzen Leben schuf sie ein umfassendes und facettenreiches OEuvre, das über 100 Jahre zur Projektionsfläche wurde und bis heute fasziniert. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet sich vom 8. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022 dem Gesamtwerk Paula Modersohn-Beckers und zeigt in einer umfassenden Retrospektive, wie entschieden sie sich über gesellschaftliche und künstlerische Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzte und zentrale Tendenzen der Moderne vorwegnahm. Die Ausstellung versammelt in Frankfurt 116 ihrer Gemälde und Zeichnungen aus allen Schaffensphasen, darunter Hauptwerke, die heute als Ikonen der Kunstgeschichte gelten, etwa das Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag (1906). Präsentiert wird ein aktueller Blick auf das Werk dieser frühen Vertreterin der Avantgarde. In der nach prägnanten Serien und Bildmotiven gegliederten Präsentation stehen insbesondere auch Modersohn-Beckers außergewöhnlicher Malduktus und ihre künstlerischen Methoden im Fokus, die zu einer vielfältigen Rezeption ihres Schaffens beitrugen.
Ab 1898 lebte Paula Modersohn-Becker in der Künstlerkolonie Worpswede, unterbrochen durch vier längere Aufenthalte in Paris. Ihr umfangreiches OEuvre aus rund 734 Gemälden und etwa 1500 Arbeiten auf Papier spiegelt die Einflüsse dieser beiden gegensätzlichen Orte deutlich wider. Trotz fehlender weiblicher Vorbilder und auch während ihrer Ehe mit dem Worpsweder Landschaftsmaler Otto Modersohn verfolgte sie mit großer Disziplin ihre eigenständige künstlerische Entwicklung. Ihre Werke entstanden in oft einsamer Auseinandersetzung mit der älteren Kunstgeschichte und aktuellen Tendenzen der Kunst, die sie in der französischen Metropole studierte. In großen Werkserien umkreist sie ein wiederkehrendes Repertoire von Bildmotiven: Einen besonderen Schwerpunkt stellen Porträts und Selbstporträts dar, weitere zentrale Werkkomplexe sind Kinderbildnisse, Darstellungen von Mutter mit Kind, Bäuerinnen und Bauern, Akte, Landschaften aus Worpswede und Paris sowie Stillleben. Dabei fand sie zu überzeitlichen, allgemeingültigen Bildern und unabhängigen Darstellungen. Ihre Arbeiten sind rigoros, bisweilen radikal anders als die ihrer Zeitgenossen. Dem hohen eigenen Anspruch der Künstlerin steht ihr zu Lebzeiten völlig ausbleibender äußerer Erfolg gegenüber. Erst nach ihrem Tod wurde ihr Werk als Entdeckung gefeiert, gesammelt und ausgestellt, dabei in seiner Ambivalenz vielfach vereinnahmt.
Die Ausstellung „Paula Modersohn-Becker“ wird gefördert durch die Art Mentor Foundation Lucerne und die Dr. Marschner Stiftung.
Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, erläutert: „Paula Modersohn-Becker fasziniert bis heute: Während die einen sie als populäre Malerin von Kinderbildnissen, Müttern, Bauern und norddeutscher Landschaft schätzen, wird sie von anderen als Ausnahmekünstlerin der Moderne gefeiert und neben Cézanne und Picasso gestellt. Gerade diese Vielstimmigkeit ihrer Rezeption war für die Schirn Anlass, unser Publikum einzuladen, ihr Werk in Frankfurt in seiner Gesamtheit neu zu betrachten.“