Post-Capital
Art and the Economics of the Digital Age
2.10.2021 — 16.01.2022
Kuratorin Michelle Cotton, assistiert von Clémentine Proby, Nelly Taravel und Joel Valabrega
Künstler Ei Arakawa (* 1977 in Fukushima), Mohamed Bourouissa (* 1978 in Blida), Cao Fei (* 1978 in
Guangzhou), Simon Denny (* 1982 in Auckland), Lara Favaretto (* 1973 in Treviso), GCC (gegründet
2013 in Dubai), Guan Xiao (* 1983 in Chongqing), Shadi Habib Allah (* 1977 in Jerusalem), Roger Hiorns
(* 1975 in Birmingham), Oliver Laric (* 1981 in Innsbruck), Liz Magic Laser (* 1981 in New York), Katja
Novitskova (* 1984 in Tallinn), Laura Owens (* 1970 in Euclid), Yuri Pattison (* 1986 in Dublin), Sondra
Perry (* 1986 in Perth Amboy), Josephine Pryde (* 1967 in Alnwick), Nick Relph (* 1979 in London),
Cameron Rowland (* 1988 in Philadelphia), Hito Steyerl (* 1966 in München), Martine Syms (* 1988 in
Los Angeles), Nora Turato (* 1991 in Zagreb)
Ort Obergeschoss: Ostgalerie, Westgalerie ; Erdgeschoss: Grand Hall, Jardin des Sculptures ;
Untergeschoss: Auditorium
Post-Capital vereint Skulpturen, Gemälde, Fotografien, Videos und Performances, die sich
Themen der zeitgenössischen Ökonomie widmen. Dabei geht die Ausstellung, die in einer von
Umbrüchen und Unsicherheit geprägten Zeit entwickelt wurde, von einer dem Kapitalismus
zugrundeliegenden Ambivalenz aus: seiner Abhängigkeit von der Technologie und
gleichzeitigen Bedrohung durch diese. Präsentiert werden die Arbeiten von 21 Künstler aus 17
Ländern, die über mehrere Räume auf den drei Etagen des Museums verteilt sind.
Der Titel der Ausstellung ist dem Buch Post-Capitalist Society (1993) von Peter Drucker entlehnt,
in dem der Autor vorhersagt, dass die Auswirkungen der Informationstechnologie auf den
Arbeitsmarkt noch vor 2020 zum Fall des Kapitalismus führen werden. In einer Zeit, in der das
Internet noch in den Kinderschuhen steckt (Luxemburg beispielsweise wurde erst 1992 an das
WWW angebunden), prophezeit er, dass Kapital, Arbeit und Boden als Grundstock des Reichtums
langfristig durch Wissen ersetzt werden.
Ob Arbeitsformen, Zahlungsmittel, Produktion, Handel oder Konsum: der technologische Fortschritt
hat alle Wirtschaftsbereiche grundlegend verändert. Die Global Player der digitalen Technologie
und des E-Commerce machen heute den weitaus größten Teil der Marktkapitalisierung aus. Daten,
eine im Überfluss vorhandene und unendlich reproduzierbare Ware, sind zu einem kostbaren
Handelsgut geworden, das sich den auf Verknappung beruhenden traditionellen wirtschaftlichen
Prinzipien entzieht. Die Arbeiten in Post-Capital untersuchen die Widersprüche, Anomalien und
ethischen Probleme, die mit dem postindustriellen Zeitalter und postkapitalistischen Ökonomien
einhergehen.
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Die Ausstellung wurde speziell mit Blick auf Luxemburg konzipiert, eine europäische Hauptstadt,
die für ihren starken Finanzsektor bekannt ist und in der die digitale Wirtschaft auch ein
strategisch wichtiges Thema ist. Das Museum ist zudem knapp fünfzig Kilometer vom Geburtsort
des Philosophen und Ökonomen Karl Marx (* 1818 in Trier; † 1883 in London) entfernt, dessen
Hauptwerk Das Kapital (1867) den Kapitalismus als ein dynamisches Wirtschaftssystem beschreibt,
das zur Selbstzerstörung neigt.
Die Werke von Cao Fei, Simon Denny, Liz Magic Laser und Cameron Rowland erforschen den
zeitgenössischen Arbeitsmarkt am Beispiel automatisierter Logistikzentren und Lagerhäuser,
der Gig-Economy und der biometrischen Zeiterfassung. Ei Arakawas LED-Gemälde, die
Videoinstallationen von Mohamed Bourouissa und Yuri Pattison und die Fotografien von Shadi
Habib Allah befassen sich mit sogenannten „Tauschmitteln», von der Münzprägung in der Pariser
Monnaie und dem Schöpfen von Bitcoins im ländlichen China bis hin zum illegalen Tauschhandel
von Essensgutscheinen in Lebensmittelgeschäften in Miami. Die Arbeiten von GCC, Guan Xiao
und Roger Hiorns thematisieren das Phänomen des Überkonsums und der Überproduktion,
während die Skulpturen von Katja Novitskova die sogenannte „Aufmerksamkeitsökonomie» in
einer informationsgesättigten Gesellschaft humorvoll hinterfragen. Oliver Laric reproduziert
urheberrechtsfreie digitale Scans von Kunstwerken aus Museen weltweit und anderen
Objekten, während die Installation von Hito Steyerl das Phänomen der Zollfreizonen mit der
landwirtschaftlichen Produktion in Gemeinschaftsgärten verknüpft. Lara Favaretto schließlich
organisiert an einem geheimen Ort des Museums eine Reihe von „heimlichen Diskussionen“ zu den
Begriffen Überschuss, Macht und Hacker. Diese werden live auf der Website und auf think-head.net
übertragen.
Die Ausstellung umfasst eine großformatige skulpturale Installation, die von Roger Hiorns in Auftrag
gegeben wurde, sowie eine neue Performance, ein Wandbild und eine Plakatkampagne für den
öffentlichen Raum von Nora Turato. Bei den Werken von Ei Arakawa, Lara Favaretto, Oliver Laric,
Yuri Pattison und Hito Steyerl handelt es sich um Auftragsarbeiten. Die Arbeiten von Sondra Perry
und GCC stammen aus den Beständen des Museums. Die Arbeiten von GCC, die 2015 und 2020
Gegenstand einer Schenkung an das Mudam waren, werden zum ersten Mal im Museum gezeigt.
Die Ausstellung wird 2022 in einer leicht abgeänderten Form in der Kunsthal Charlottenborg in
Kopenhagen zu sehen sein.