Bild: Millennial lifestyle © Canva
Die Generation der Millennials ist vor allem bekannt dafür, ständig zu quengeln – allerdings gibt es dazu auch genügend Gründe. Was unserer Generation zugemutet wurde, gibt uns ein Recht auf Permaquengelei. Mit Mitte dreißig haben viele Millennials noch keinen festen Job, kein Haus, keine Familie. Die Gründe für diese krisenhafte Existenz sind vielfältig und natürlich von aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen geprägt; allerdings sind wir vor allem gepeinigt durch die Digitalisierung, mit der wir aufgewachsen sind, und der ultimativen Globalisierung der letzten 20 Jahre.
Wir waren die erste Generation, der erzählt wurde, dass wir ALLES werden können, ÜBERALL leben und arbeiten können – es gäbe keine Grenzen. Endlich eine Generation, die studieren konnte, worauf sie Lust hatte: „Das Studium soll ja Spaß machen, du musst nachher Freude an deinem Job haben“, sagten die Eltern. Anstatt etwas Sinnvolles (z. B. BWL oder Buchhaltung) zu lernen, haben Millennials lieber „was mit Medien“ studiert, oder abgefahrene Fächer wie Archäologie oder Kunstgeschichte – dabei natürlich immer den Traum von Ausgrabungen in Ägypten im Hinterkopf, später mal in einem Museum arbeiten, das wäre toll! Und uns wurde ja gesagt, wir können ALLES werden, alles erreichen. Hm. Die Rechnung ist irgendwie nicht aufgegangen, denn Masseneinschreibungen an Universitäten führten dazu, dass Hinz und Kunz ein Studium absolvierte.
Gut, dann hängen wir noch einen Master dran, oder noch besser, ein Doktorat. Ja genau, das war auch immer so ein Traum von uns, das berühmte Dr. vorm Namen präsentieren zu können. Mit einem Doktorat würde man dann ja auch auf jeden Fall eine coole Stelle an der Uni bekommen. Wollten wir nicht schon immer Professoren für Literatur werden? Wäre eigentlich eine feine Sache. Auf diese Idee kamen aber noch andere, was zu einer millennialen Horde an überqualifizierten Geisteswissenschaftlern geführt hat, die sich um die fünf permanenten Stellen kloppen, die in den letzten zehn Jahren mal frei wurden. Nice! Also setzt langsam, aber sicher Panik und dann völlige Desillusion ein. Wir haben die höchsten Qualifikationen, haben eigentlich genau das gemacht, was uns die Boomer-Generation gesagt hat – und jetzt stehen wir da und löffeln deren Erbe aus.
Die Digitalisierung hat uns Millennials auch ganz übel mitgespielt. Wir waren die erste Generation, die unter FOMO* leidet, und die komplexe offline-online-Doppelleben führt. Wir waren die Versuchskaninchen für Social Media, entweder abhängig oder traumatisiert, oder beides. Ständig in Kontakt mit allen und trotzdem irgendwie allein, immer am Computer oder Handy, erreichbar 24/7, natürlich auch für den Chef. Hello, Burnout, my old friend.
Unser Leben ist in allen Bereichen eine Zumutung. Die Zukunft sieht düster aus, denn zu unserer persönlichen Misere kommen ja noch die allgemeinen Folgen des Anthropozäns. Die nachfolgende Generation Z (die sich immer schön lustig macht über uns) macht’s zwar besser, mit Ausbildungen zu vernünftigen, bodenständigen Berufen und Bausparvertrag. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Apokalypse kurz bevorsteht – und dass die Menschheit selbst die größte Zumutung von allen ist.
Sandra Aline Wagner im OPUS Kulturmagazin Nr. 95 (Jan. / Feb. 2023)
*Fear of Missing out = Die ständige Angst, etwas zu verpassen