Erleben viel bei ihrem Reißaus vor der Abschiebung in eine Seniorenresidenz: “Donkey der Schotte und das Pferd, das sich Rosi nannte”: Thorsten Rodenberg und Laura Trapp füllen die Rollen mit prallem Leben. © Foto: Astrid Karger, Saarländisches Staatstheater
(red.) Zusammenhalten und an einem Strang ziehen sind die Erfolgsrezepte gegen die Corona-Pandemie. Wie man sich aus einer schier ausweglosen Situation rettet, beweisen Saarländischer Rundfunk und Saarländisches Staatstheater in einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit. Denn eigentlich, der Corona-Verlängerung sei es geschuldet, hätte man das Weihnachtsmärchen „Donkey der Schotte und das Pferd, das sich Rosi nannte“ ungesehen in die Tonne treten müssen. Denn das Spielverbot in den heiligen Hallen des Staatstheaters schluckte nach der üblichen Probenzeit die Premiere und gilt bis weit ins neue Jahr 2021. Und das für das Jahr um Jahr zuschauerstärkste Stück, heißbegehrt bei zehntausenden Kindern in Kita und Grundschule. Auch Donkey und Rosi hätten weder Premiere noch Aufführungen erlebt. Denn der Spielplan mit seinen bisweilen Doppelvorstellungen in November, Dezember bis hin in den Januar kennt für diesen Blockbuster kein Pardon. Massenhafte Spieltermine im Frühjahr sind nicht mehr denkbar, zumal die Schulwelt nicht auf solche Angebote im zweiten Schulhalbjahr programmiert ist. Aber dann der Paukenschlag! Aus dem Nichts ein tollkühner Schulterschluss zwischen Bühne und der führenden SR-Rundfunkanstalt des Saarlandes. Denn die Premiere, ohne Zuschauer versteht sich, zeichneten viele Kameras des Saarländischen Rundfunks aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln auf, rückten dem Schauspielensemble von der Totale bis hin zur Großaufnahme auf die Pelle und es erfolgte eine zweite Regie-Leistung durch ein ganz anderes Spielleiter-Team. Denn Fernsehregisseure (Sandra Baumann / Sabine Janowitz) sorgten für den Schnitt und eine 66-minütige Verfilmung dieses launigen Bühnenspektakels.
Und das digitale Produkt kann sich als „Video on Demand“ sehen lassen! Für jedes Kind und natürlich alle Eltern, einmal, zweimal, so oft man die teilweise haarsträubenden Erlebnisse der vier Protagonisten sehen will. Kostenlos versteht sich, leicht zu finden in der SR-Mediathek. Und hinschauen lohnt sich, denn „Donkey der Schotte und das Pferd, das sich Rosi nannte“, haben frei nach der Bearbeitung des weltberühmten Ritterromans von Miguel de Cervantes Erlebnisse en masse vor der Brust, weil der Herr Ritter (ebenso kauzig wie vergesslich: Sébastien Jacobi) nicht wie sein berühmtes Alter Ego Don Quijote gegen Windmühlen kämpft, sondern für einen Windpark Haus und Hof freimachen soll und nach dem Willen seiner ehrgeizigen Tochter Antonia (Juliane Lang) in eine Seniorenresidenz abgeschoben werden soll. Aber der belesene Herr Ritter macht sich mit auf den Weg, eigentlich nur seine verlorene Katze Dulcineia suchend und manch haarsträubendes Abenteuer unfreiwillig bestehend, den Kampf mit einer Pizzabäckerin und ihrem Pizzabuchen-Imperium, der mit einem fürstlichen Ritterschlag endet oder die Friedensschlichtung mit einer Schafherde, die ihm nicht minder glücklich von der Hand geht. Schlimmer schon, dass die für seinen Tatendring in Sachen Unterstützung wichtige Rosi von der Fahne zugeht, weil die nach Herausforderungen dürstende Rosi (Laura Trapp) an den Zirkus und den Löwen Lionell (Eva Kammigan) verloren zu gehen droht. Aber am Ende fügt sich doch alles zum Guten, denn statt der Abrissbirnen für den Windpark löst sich der Konflikt durch den dauerpfurzenden Esel Donkey (Thorsten Rodenberg) als unfreiwilliger Ideengeber in eine Biogas-Anlage auf und die vier Protagonisten können in Frieden zusammenleben.
Bettina Bruiniers abwechslungsreiche Inszenierung der Spielvorlage von Martin Bieri und Ariane von Graffenried wird im flexiblen Bühnenbild von Elisabeth Vogetseder zur einfühlsamen Musik von Walfried Böcker von einem durchweg spielfreudigen Ensemble getragen. Auch wenn man zwischenzeitlich den Eindruck gewinnen kann, dass umweltpolitische Anspielungen und die Figur der machtbewussten Politikerin Girandola (Mirjam Kuchinke) die Vorstellungswelt eines sechs- bis achtjährigen Theaterbesuchers überfordern, so bleibt doch genügend Futter in dem bilderreichen Spiel, um die Dreikäsehochs bei der Stange zu halten. Und die Bildregie tut sicherlich auch ihr Gutes dazu, um die Blicke der Kinder nicht abschweifen zu lassen. Alles in Allem: eine Steilvorlage des Staatstheaters, die in einer kongenialen Zusammenarbeit zwischen Theater- und Fernsehleuten aufgegangen ist. Gern mehr davon, auch außerhalb von Corona-Zeiten!
Burkhard Jellonnek
Link zum Video on Demand: www.sr2.de/weihnachtsmärchen