Die Nachwuchsdirigenten Nikolaus Henseler, Hangyul Chung und Valentin Egel (v.l.) © Astrid Karger
Es ist einzigartig in Europa, das Dirigentenforum des Deutschen Musikrates. Nachwuchsdirigenten treffen hier auf renommierte Orchester- und Chorleiter und dürfen ihre Meisterausbildung mit Profiorchestern machen und damit wertvolle Erfahrungen sammeln. Das Dirigentenforum war jetzt zu Gast bei der Deutschen Radio Philharmonie zu einem ganz besondern Projekt, der Dirigentenwerkstatt, die in diesem Jahr erstmals in Saarbrücken stattfand und der schon Tradition gewordenen Komponistenwerkstatt an die Seite gestellt wird.
Es war ein voller Erfolg, das darf man sogleich sagen. Drei sehr junge Dirigenten erarbeiteten mit dem Kursleiter Manuel Nawri Werke des 20. Jahrhunderts – und was für Werke! Schönbergs unübertreffliche „Fünf Orchesterstücke op. 16“, in der er erstmals die Tonaliltät verließ und Klangfarbenmelodie erprobte, György Ligetis höllisch schweres und zugleich animierendes Klavierkonzert, „Aufbruch“ für Computer und Orchesters des Schweizer Komponisten Thomas Kessler und ein Werk des japanischen Komponisten Toru Takemitsu. Gemeinsam hatten die drei jungen Dirigenten Nikolaus Henseler, Valentin Engel und Hangyui Chung die Werke einstudiert. Im Abschlusskonzert wechselten sie in den Stücken oder sogar zwischen den Sätzen das Pult.
Die Dirigenten trafen auf ein sehr konzentrieres und aufmerksames Orchester, das seine ganze Spielkultur der Neuen Musik einbrachte, und das sehr zugewandt mit den Youngsters arbeitete. Musik des 20. Jahrhunderts, das ist u.a. des Orchesters Spielfeld, und davon konnten die Nachwuchsstars lernen, und sie ließen sich natürlich anstecken. Eva Pegel, die Projektleiterin beim Deutschen Musikrat, war begeistert.
Der Schönberg war in jedem Takt überzeugend – hier wirkte wohl auch die Auseinandersetzung mit der Musik Mahlers prägend, was dazu führte, dass die Interpretation eher ‚klassisch‘ wirkte, die Tradition in diesem Stück mehr Gewicht bekam als das Vorwärtsschauende. Bei Ligeti gab es ein sehr gutes ‚Backing‘ durch den Klaviersolisten Imri Talgam, der das schwere Stück bravourös meisterte. Auch Thomas Kesslers Stück, das knapp 30 Jahre zuvor in Saarbrücken uraufgeführt worden war, wurde in all den Nuancen sehr gut ausmusiziert. Bei Takemitsu fehlte das Zen-Bewußtsein, das ‚absichtslose‘ Fließen und das Meditative.
Die drei Dirigenten waren vom Typ und Charaker sehr unterschiedlich. Der hochaufgeschossene Nikolaus Henseler mit Otto Klemperer-Figur blieb gefasst, konnte aber mit seinen flügelähnlichen Armen den Klang tragen. Viel emotionaler und dynamischer war Valentin Egel, der offensichtlich alle Klänge, die sein Orchester produzierte, auch körperlich verarbeitete. Er machte die Musik auch durch die Figur des Dirigenten erfahrbar. Schließlich der Koreaner Hangyui Chung, der auch im heftigsten Getümmel mit einer metronomartigen Sicherheit den Takt durchielt und nicht vergaß, die wichtigen Einsätze zu geben.
Das wohl wegen der Corona-Krise merklich gelichtete Publikum war begeistert.
Friedrich Spangemacher