Szene aus der „Zauberflöte“ // Copyright: ArtEO Photography
Von einem der auszog, ein besserer Mensch zu werden
Heinz Lukas-Kindermann inszeniert in Trier Mozarts „Zauberflöte“
von Eva-Maria Reuther
Zugegeben: eine Oper wie Mozarts „Zauberflöte“ an einem kleinen Haus wie dem Theater Trier zu inszenieren, ist eine gewaltige Steilvorlage. Haben wir doch längst dazu die Heroen der Gesangskunst im Ohr und Deutungen von musealem Rang vor Augen, wie Ingmar Bergmanns wunderbar poetische Verfilmung „Trollflöjten“ oder Achim Freyers opulente, herrlich komödiantische Salzburger Inszenierung. Zum Ende der Spielzeit 2017/18 hat Heinz Lukas-Kindermann die beliebteste aller Mozart Opern jetzt neu für das Haus am Augustinerhof eingerichtet. Die Produktion ist die letzte in der Amtszeit des amtierenden Generalmusikdirektors Victor Puhl. Die Geschichte von der Flöte mit dem Zauberton bietet geradezu eine Wundertüte an Möglichkeiten zur szenischen Gestaltung. Ist sie doch alles in einem: Gleichnis, Märchen und Initiationsgeschichte. All das auf der Grundlage freimaurerischer humanistischer Ideale, die denen der Aufklärung entsprechen. Was Wunder dass der populäre Klassiker nicht nur bezauberte, sondern von Anfang an auch polarisierte. Goethe, der wie Mozart und sein Librettist und Theaterdirektor Emanuel Schikaneder selbst Freimaurer war, hielt das Stück für ein Meisterwerk, Philosoph Friedrich Hegel dagegen für ein Machwerk. In Trier hat Kindermann das getan, was sich angesichts stark begrenzter Ressourcen empfiehlt. Der Theatermacher, der von 1995-2004 Intendant am Theater Trier war, führt die Oper, die 1791 im Wiener Freihaustheater uraufgeführt wurde, mit sparsamen bildnerischen Mitteln, aber dennoch bildmächtig und erzählfreudig auf seine Grundlagen zurück. Soll heißen auf seine Herkunft als Singspiel mit Opernambitionen aus dem Wiener Volkstheater. Dabei treibt er nicht nur die Handlung zügig voran, sondern macht auch die Ideenlage deutlich, jenen aufgeklärten Humanismus Mozarts, der sich gereift in seinen späten Opern wiederfindet. Gemeinsam mit seinem spielfreudigen Ensemble gelingt es Kindermann Inhalt und Form erhellend zu verschränken und gleichermaßen die Poesie wie den geistigen und emotionalen Gehalt der Oper erlebbar zu machen. Eine königliche Kunst sei es, aufrecht zu leben, befindet Platon. Und so macht sich auch Prinz Tamino mit seiner Zauberflöte und dem Gefährten Papageno auf den Weg, den aufrechten Gang zu lernen und in seiner Menschlichkeit geadelt zu werden. Seine Triebkraft ist die Liebe, die große Menschen und Welt verbessernde Kraft. Darin ist sich Mozart mit Schiller und Beethoven einig. Für Taminos Kampf zwischen gut und böse hat Kindermanns Freund, der Österreicher Heinz Hauser ein wunderbares Bühnenbild nach Art einer astronomischen Zeichnung geschaffen, in dem sich mit wenigen Zeichen der Kosmos der Oper und seine innere Mechanik zur Einheit verdichtet. Die sieben der Königin der Nacht entrissenen Sonnenkreise strukturieren das Bild, in dem Sonne, Mond und Sterne sowie die Symbole der Freimaurer erscheinen, darunter das Dreieck der Winkelwaage, dem Sinnbild für Vernunft und rechtem Maß, das Auge der Weisheit und Wahrheit oder das auch andernorts verwandte Pentagramm. Mittendrin hat Hauser einen Spiegel platziert, ein Verweis auf das bereits zu Mozarts Zeiten beliebte Zaubertheater. Wie der alte Zauberspiegel ist auch die Spiegelfläche des Wieners gleichermaßen Mittel zur Selbsterkennung wie Mittler zwischen dem Sinnlichen und Übersinnlichen, zwischen der Erdenwirklichkeit Taminos und dem dunklen Reich der Königin der Nacht, sowie der idealistischen Welt von Sarastro und seiner freimaurerischen Gemeinschaft. „Er ist Prinz, noch mehr, er ist ein Mensch“, setzt Sarastro die Prioritäten in der Person Taminos. Recht menschlich kommt dieser Prinz in der Tat daher. Mit Kniehose und Hosenträgern gleicht er ein wenig dem Hans Guck in die Luft aus dem Kinderbuch, so wie seine geliebte Prinzessin Pamina mit Reifrock und Ringelstrümpfen. Mit der Reife reift bei beiden auch die Kleidung (Kostüme Carola Vollath). Auch Papageno, der Vogelmensch, hat hier mehr von einem pragmatischen Genussmenschen dieser Tage als von Mozarts fabulösem Zwitterwesen. Auf Zirkel und Winkel sitzend (den bekanntesten Freimaurer Symbolen) erscheint Sarastro (Irakli Atanelishvili) mit geschmeidigem Bass wie Gottvater am Bühnenhimmel. Sein Herrenclub ist nicht ganz so einmütig, wie es dem Ideal entspricht. Der Geist Achim Freyers atmet in den Sternenmädchen mit ihren Sternenhüten und dem gezackten Pfeil der nuttigen „Drei Damen“ aus dem Gefolge der Königin der Nacht. Die steht wie bei Freyer und dereinst bei Carl Friedrich Schinkel auf einem Halbmond als zornige, triebhafte Ausgabe der Mondsichelmadonna. Ist doch Taminos Kampf nicht zuletzt auch ein Kampf der Weisheit und Vernunft gegen das Animalische der Natur. Was einhellig spielerisch eindrücklich ist, ist es musikalisch nicht immer. Der herausragende Sänger dieses Abends ist James Elliott als Tamino, dessen kultivierter weicher Tenor sich hingebungsvoll nach der Geliebten sehnt, ohne je kitschig zu werden. Eva Maria Amann ist eine allzu dramatische Pamina, als ginge es um Verdi statt um Mozart. Als rachsüchtige Königin der Nacht überzeugt Frauke Burg eher in den Koloraturen ihrer mörderischen Arie „Der Hölle Rachen“ als im Parlando. Mit komödiantischem Talent meistert Bonko Karadjov die ursprünglich für Bariton geschriebene Partie des Papageno auf der Suche nach Papagena (Helena Steiner). Weder im Ensembleklang noch in der Artikulation überzeugen die „Drei Damen“ (Evelyn Czesla, Sotiria Giannoudi, Silvia Lefringhausen). Ihre Texte bleiben so unverständlich wie die von Counter Tenor Fritz Spengler, der hier offensichtlich aus Personalnot als Monostatos eingesetzt wurde. Die drei Knaben werden stimmlich zur Premiere Opfer ihres Lampenfiebers. Engagiert singen wie immer Opern- und Extrachor (Einstudierung Angela Händel). Nicht immer klappt die Kommunikation zwischen Orchestergraben und Bühne. So übertönt gleich zu Beginn das Blech des von Victor Puhl dirigierten engagierten Philharmonischen Orchesters der Stadt Trier gewaltig Taminos Stimme. Etwas flotter und weniger handfest hätte man sich ohnehin die Ouvertüre gewünscht. Herzlicher Applaus vom Publikum für die Akteure und Standing Ovations und stürmischer Beifall für Kindermann im ausverkauften Haus.?n
Weitere Termine:
1., 5., 8., 15., 23., 26., 28. Juni jeweils 19.30 Uhr und 1. Juli 16 Uhr