
Filip Markiewicz, Euro Hamlet, 2019 – Courtesy AEROPLASTICS, Bruxelles © Filip Markiewicz
„Freigeister“ heißt die jüngste Ausstellung im Erdgeschoss des Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (Mudam) in Luxemburg, die 14 künstlerische Positionen zeigt. Zum 15. Geburtstag des Museums will das Haus den Blick auf Vertreter der einheimischen Kunstszene lenken, die bereits über die Grenzen hinweg aktiv waren, will heißen im Ausland ausgestellt oder sogar einen weiteren Wohnsitz dort haben. Laut Pressetext soll damit die Weltoffenheit des Großherzogtums und seiner Kunstszene belegt werden.
Nun ist die Kunst ja ohnehin frei und Luxemburg ein internationaler Schmelztiegel, dessen Einwohner bekanntlich seit jeher notorische Grenzgänger sind. So gehören nationale Grenzüberschreitungen auch zur Lebenswirklichkeit der hier vertretenen Künstler, wie ihre Viten belegen. Mit den künstlerischen Grenzüberschreitungen, dem Mut zu neuen Sehweisen und Zusammenhängen hapert es dagegen in dieser Ausstellung gewaltig. Eher fühlt man sich an ein Gespräch Goethes mit Eckermann erinnert, in dem der Dichter klagt, dass man der Jugend alle Wildheit austreibe und sie zu Philistern erziehe. Künstlerische Philister mag man im Mudam nicht explizit konstatieren, auch wenn manches recht bieder daherkommt. Zudem ist die Mehrzahl der präsentierten Künstler statt ausgesprochen jung im besten Alter. Auf jeden Fall schwimmen die ausgestellten Mischtechniken, Installationen, Foto- und Videoarbeiten sowie die bildhauerischen Werke weithin brav im Mainstream der aktuellen internationalen Kunstszene. Hilfestellung geben dem Betrachter pompöse Text-Kommentare, bei denen verbaler Anspruch und ästhetische Visualisierung zum Teil bemerkenswert auseinanderklaffen.
Eine schöne, schlüssige Arbeit zum Thema Verlust und Unmöglichkeit von Heimat legt der Portugiese Marco Godinho vor. Filip Markiewicz präsentiert den bekannten Mix aus Pop Art, Graffitikunst und Comic. Der aus Trier stammende Fotograf Daniel Reuter reflektiert in gelungenen, aber konventionellen Schwarz-weiß Fotos Gesteinsstrukturen und setzt überflüssigerweise noch einen bemoosten Brocken als natürliche Skulptur davor. Vertreten ist hier überdies Sophie Jung, von der man unlängst im Casino weit stärkere Arbeiten gesehen hat. Und auch der (per Bild) Fäkalien ausscheidende Geldautomat der Belgierin Aline Bouvy ist eine recht schlichte pubertär anmutende Form der Subversion. Da hat ihr Kollege und Landsmann Wim Delvoye mit seiner „Cloaca“ schon vor 20 Jahren ästhetisch weit anspruchsvoller Widerstand geleistet. Fazit: Für diese „Freigeister“ steht die künstlerische Befreiung noch an.
Eva-Maria Reuther
Bis 27.2.
Erratum: Im OPUS Kulturmagazin Nr. 89 (Jan. / Feb. 2021) wurde ein Bild von Nina Tomàs Werk abgedruckt und als Wandinstallation von Marco Godinho bezeichnet. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.