Szene aus „Tristesse Royale“ © Eva-Maria Reuther
Sie ist vital, risikobereit und experimentierfreudig. Zusammen mit den Staats-und Stadttheatern bildet die freie Theaterszene in Deutschland ein vielfältiges, einmaliges duales System der darstellenden Kunst. Im Vergleich zu den Schlachtschiffen der öffentlich finanzierten Repertoire-Theater sind die „Freien“ wendiger, dynamischer und unabhängiger. Eines dieser Off-Theater, die ursprünglich als künstlerische Tochter der Freiheit aus den Kämpfen um Meinungs-und Versammlungsfreiheit hervorgingen und das politische Theater der 60er Jahre zu ihren Paten zählen, ist das saarländische Theaterkollektiv Korso-op.
Die von dem früheren Ensemblemitglied des Saarbrücker Staatstheaters Nina Schopka gegründete Theatergruppe mag man sich schon nach den ersten Produktionen nicht mehr aus der Kulturszene wegdenken. So eindrucksvoll sind gleichermaßen Spiellust und Einfallsreichtum, aber auch die Qualität und Ernsthaftigkeit, die das neunköpfige internationale Team auszeichnen. Sinnfällig und symbolträchtig sind die revitalisierten Spielorte wie der ehemalige Gestapo Bunker in der Saarbrücker Innenstadt, der nach Kriegsende als Rotlicht Etablissement genutzt wurde. Oder das zur Sommer Disco „Sektor Heimat“ umfunktionierte einstige Lagerhaus am Osthafen. Mit packendem Zugriff eignet sich das Kollektiv seine Orte szenisch wie inhaltlich an, dabei macht es sein Publikum zu Mitspielern und sogar Mittätern.
„Ich hatte Sehnsucht danach, ohne die üblichen hierarchischen Systeme künstlerisch zu arbeiten und neue Wege zu gehen“, sagt Nina Schopka. Die Ausweisung als Kollektiv ist bei Korso-op existentiell. Jede Produktion wird von allen Mitgliedern gemeinsam erarbeitet. „Wir arbeiten alle auf Augenhöhe“, so Schopka. Um Gott und die Welt mit ihren Verwerfungen geht es bei den Projekten von Korso-op. Verhandelt werden Sinnfragen, Weltverständnis, die fragilen Konstruktionen individueller wie gesellschaftlicher Wirklichkeit. Reflektiert wird die Erfahrung von Zeit, wie die Probleme der modernen Konsum-und Eventgesellschaft und ihre zeitgenössischen Ästhetiken. Dabei entstehen als Crossover von Sprechtheater, Performance, Musik und Multimedia vielgestaltige, spannende Collagen, für deren Textmaterial literarische und philosophische Texte ebenso genutzt werden wie Interviews oder Blogbeiträge. Mit Spielfreude, Witz und szenischer Phantasie befördern die klugen, gesellschaftskritischen Inszenierungen Welt- und Selbsterkenntnis, ohne jedwede didaktische Attitude. Ohnehin will Schopka das Modell von Korso-op nicht auf das Theater beschränkt wissen. Das Kollektiv steht für sie für das idealtypische Modell einer solidarischen gleichberechtigten sozialen Gemeinschaft.
Als Kooperationspartner ist neben dem xm:lab der HBKsaar auch Nicolas Marchand, der Mitbegründer des Compagnie TGNM Forbach, mit von der Partie. Der Theatermacher und Autor ist begeistert von der Dynamik, künstlerischen Eigenständigkeit und Experimentierfreude des Kollektivs. „Korso-op ist ein Kollektiv mit eigener Handschrift“, lobt Marchand. Die gilt es fraglos weiter zu fördern. Schon jetzt stößt die Arbeit des Kollektivs auf großes Interesse. Seine Vorstellungen sind grundsätzlich ausverkauft.
Eva-Maria Reuther im OPUS Kulturmagazin Nr. 79 (Mai/Juni 2020) in der Rubrik Bühne