Szenenbild aus Brokeback Mountain © Foto: Martin Kaufhold
Theatertage Rheinland-Pfalz 2024
Sprechtheater im Mittelpunkt
Zum Hot Spot der rheinland-pfälzischen Theaterszene wurde Trier bei den 3. Theatertagen Rheinland-Pfalz. Das seit 2020 im Zweijahresrhythmus stattfindende zehntägige Event ist das “Come together“ der vier rheinland-pfälzischen Drei- Sparten-Theater in öffentlicher Trägerschaft. Neben dem Theater Trier sind das das Staatstheater Mainz, das Stadttheater Koblenz und das Pfalztheater in Kaiserslautern. „Meet.Inspire“ hieß das Motto der diesmal vom Theater Trier ausgerichteten theatralen Leistungsschau, die zeigt, wo die rheinland-pfälzischen Theater ästhetisch stehen, und wie sie sich inhaltlich positioniert haben. Mit 20 Produktionen aus Oper, Musical, Schauspiel, Tanz und Konzert, sowie Kinder-und Jugendtheater war das Programm abwechslungsreich und spannend bestückt. Einmal mehr bestätigte sich, dass Rheinland-Pfalz eine vitale, vielfältige und leistungsfähige öffentliche Theaterszene besitzt. Begleitet wurde das Bühnenprogramm von Diskussionen, Tischgesprächen, Lesungen und Partyspaß bis zum Abwinken.
Den Auftakt im Theater Trier machte die Verleihung des mit 10000 Euro dotierten Else-Lasker-Schüler –Dramatikpreises 2024 an Wolfram Lotz durch Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Dabei unterstrich die Landeschefin die kulturelle Bedeutung der Theater des Landes. Der bereits vielfach ausgezeichnete Dramatiker wurde für sein die Gegenwart reflektierendes Gesamtwerk gewürdigt, wie der Vorsitzende der Wettbewerbsjury, der Kaiserslauterner Intendant Johannes Beckmann erklärte. Die Else-Lasker-Schüler-Stückepreise gingen an die jungen Autorinnen Deborah von Wartburg für ihr Stück „Victory im Sonnengruß“ und Hanna Valentina Röhrich für „The Girl-Eine Schelmenkomödie“, sowie an Felix Krakau für „Celebration (Florida)“.
Aufführungen
Mit Charles Wourinens selten gespielter Oper „Brokeback Mountain“ in der Regie von Eike Ecker (der einzigen Oper im Programm) eröffnete das Theater Trier die Theatertage und formulierte damit sogleich ein klares Statement für Qualität. Qualität als Grundbedingung des öffentlichen Theaterbetriebs, hatte bereits vorher der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe zur Eröffnung gefordert. Den größten Teil der Produktionen steuerte das Schauspiel bei. Bis auf Leon Englers Hörspieladaption „Hummer und Durst“ (Kaiserlautern) und die kirchenkritische Komödie „Kardinalfehler“(Trier) stand allerdings kein weiteres Werk der dramatischen Gegenwartsliterstur auf dem Programm, ebenso wenig wie eins aus dem klassischen dramatischen Kanon. Stattdessen überwogen Roman–und Filmadaptionen, ein Trend, der vielerorts in der deutschsprachigen Theaterszene zu beobachten ist. Die Nase vorn hatte im Schauspiel das Pfalztheater mit zwei kleinen, aber sehr eindringlichen Inszenierungen. Hinreißend präsentierte sich „Hummer und Durst“ des Else-Lasker-Schüler-Preisträgers 2016, Leon Engler in der Außenspielstätte des Theaters Trier in der Europäischen Kunstakademie –EKA. In der Regie der jungen Regisseurin Franziska Suhr funkelte die intelligente, aber bitterböse kapitalismuskritische Collage von Gier und Größenwahn, wie der Edelstein, mit dem die chinesische Unternehmerin Yang Jiang ihre Mount Everest Kopie im Wortsinn toppen will. Mit größtem Vergnügen schluckte man die bitteren Pillen, die die fabelhaft aufspielenden Akteure ihrem Publikum zu schlucken gaben. Bedrückend, aber hocheindrucksvoll, ganz in der Tonlage der literarischen Vorlage geriet „Untröstliche Schatten“ nach dem Roman „Dreihundert Brücken“ von Bernardo Carvalho. Elena Finkel inszenierte ergreifend die Geschichte zweier Freunde und ihrer Familien in Russland nach dem Tschetschenien Krieg aus der Erzählperspektive, die immer wieder szenisch aufgelöst wurde. Die einzige Uraufführung kam vom Staatstheater Mainz mit einer neuen Fassung von Thees Uhlmanns Roman „Sophia der Tod und ich“. Das von der Schauspielerin Anke Baumann und ihren Kollegen Henner Momann und Julian von Hansemann selbst gefasste, inszenierte und aufgeführte Stück geriet zwar flott und temporeich, aber in seinem Mix aus Klischees und Lebensratgeberweisheiten inhaltlich recht schwach. Dafür beeindruckte das Mainzer Haus im Tanz mit der hochpoetischen Tanzproduktion „Mysterious Heart“ der chilenischen Choreografin Tania Carvalho. Ebenfalls eindrucksvoll: die Tanzproduktion „Anonymous Sense“ von Jone San Martin (Kaiserslautern). Virtuelle Welten waren angesagt im interaktiven VR-Setting „Romeo und Julia“ nach William Shakespeare (Theater Koblenz). Im Bereich Chormusik erklang Verdis „Requiem“ als imposante Koproduktion der Theater Trier und Kaiserslautern.
Diskussionen
Wie sehr das öffentliche Theater um Sinngebung und gesellschaftliche Relevanz ringt, vergegenwärtigte die kulturpolitische Diskussion zum Thema. „Was die (theatrale) Welt im Innersten zusammenhält“ -so der ambitionierte Titel nach Goethe- blieben die Podiumsmitglieder ihrem Publikum allerdings schuldig. Unter ihnen: der Trierer Kulturdezernent Markus Nöhl, der Koblenzer Intendant Markus Dietze und die ehemalige Intendantin der Oper Köln und Initiatorin des Formats „Oper für alle“ Birgit Meyer. Über allerorts längst etablierte Strategien kamen die Diskutierenden nicht hinaus. Als da sind: Das Theater muss ein Ort der Begegnung sein, sich an die gesamte Stadt und Region richten, nach draußen gehen, Kinder- und Jugendtheater anbieten. Zudem müsse Theater „verstören“ (was es inzwischen am allerwenigsten tut). Und nicht zuletzt „hart an der Gegenwart bleiben“. Was immer Letzteres heißen mag und eine eigene Diskussion wert wäre.
Eva-Maria Reuther