Bettina Maria Bauer, Amirah, Moritz Kugler, Jamil und der Kinderchor des Saarländischen Staatstheaters © Foto: Astrid Karger
Wer hat nicht als Kind Märchen gespielt, mit Geschwistern und Freunden und sich auf das ‚Happy End‘ gefreut, nachdem die böse Schwiegermutter und überhaupt alles Böse überwunden wurde. Wer hat nicht sich gern Märchen vorlesen lassen, immer wieder die gleiche Geschichte, die möglichst in allen Nuancen so stimmen musste. Märchen lesen und Märchen spielen, das sind die Ingredienzien, die die „Arabische Prinzessin“ ausmachen. Im Mittelpunkt steht der Kinderchor des Staatstheaters, der hier das Regiment übernommen hat, auch wenn die Prinzessin und der Fischer ebenso wie Tante Safah von professionellen Stimmen gesungen werden. Der Inszenierung gelingt es, dass man selbst als Zuschauer sofort Teil des Geschehens wird, denn Tante Safah und Ali, der Protagonist der Geschichte, sitzen anfangs im Publikum, auch einige Mitglieder des Kinderchors verharren zunächst im Zuschauerraum und greifen später ein, um den verzauberten Fischer zu erlösen.
Die arabische Prinzessin Amirah verliebt sich in den Fischer Jamil, dessen Stimme sie verzaubert hat. Sie dürfe aber nie über seine niedere Herkunft lästern, so der Fischer. Als doch bei der Hochzeit unbedacht eine Bemerkung kommt, flieht der Fischer. Übers Meer suchen die Prinzessin und ihr Gefolge nach Jamil, den Fischer und finden ihn in der Gewalt des Vergessensfürsten. Jamil hat sie vergessen und ist stumm geworden, erst die Kinder können ihn erlösen.
Es ist eine vorzügliche Vorlage, die die Schriftstellerin Paula Fünfeck zusammen mit der Musikern Anna-Sophie Brüning entwickelt hat nach einem alten arabischen Märchen. Die Erzählebenen leuchten unmittelbar ein. Ali will das Märchen hören, so wie er es kennt. Als ein Märchenerzähler das Böse relativieren will, erhebt er Einspruch.
Parallel entwickelt sich das Spiel des Märchens auf der Bühne. Wichtigste Requisiten sind die Bücher, in die die Märchen aufgeschrieben werden, auf denen man sitzt, aus denen der Thron der Prinzessin gebaut ist und die überhaupt allgegenwärtig sind. Die Musik hat Brüning bei dem baskischen Komponisten Juan Crisóstomo de Arriaga, dem spanischen Mozart, entlehnt, eine wunderbar spielerische Musik mit teils arabischen Einschlägen. Sie wird gespielt von Musikern des Staatsorchesters unter der Leitung von Nathan Blair.
Der Kinderchor, einstudiert von Mauro Barbierato ist musikalisch und auch spielerisch grandios. Das gesamte Geschehen wird vom Chor getragen mit großer Lust am Spiel, die Kinder sind in jeder Situation mitreißend. Die professionellen Sänger sind sehr überzeugend und finden sich sehr gut in das Spiel der Kinder ein: Bettina Maria Bauer als Prinzessin, Moritz Kugler als Jamil, der Fischverkäufer, Elisa Wehrle als Tante Safah und Uwe Keller als der Geschichtenerzähler und später als Vergessensfürst. Sehr gut auch Matteo Rolser als das Kind, das das ganze Spiel auf der Bühne quasi in Bewegung setzt. Die Bühne als Schräge im Raum kann sich nach unten öffnen, als Zugang in den Palast aber auch als Zugang in die Unterwelt, aus der die bösen Angreifer des Fürsten kommen. Alles ist mit einfachsten Mitteln gemacht, die Papiermasken, die Schiffe, die umgehängt werden, das Hintergrundtableau… Regie führte Benoit de Leersnyder, der das Stück auch schon für die Straßburger Oper inszeniert hatte.
Das Stück spricht die Kinderseele an und entführt auch die Erwachsenen 75 Minuten lang in eine andere Welt, die mit den digital überbordenden Welten der heutigen elektronischen Spiele nichts gemein hat. Es ist ein Rückblick auf die Kindheit und für die Kinder ein spannendes Bühnenabenteuer, bei dem man spürt, dass auch die jungen BesucherInnen gerne sofort mitmachen würden.
Anzumerken bleibt, dass diese Oper erstmals in Ramallah mit palästinensischen und israelischen Kinder gegeben wurde. Daniel Barenboim hatte die Idee dazu und der Dirigentin Anna-Sophie Brüning den Auftrag dazu erteilt.
Sehr sehenswert!
Friedrich Spangemacher