Imposant wie immer: das Bühnenbild von Klassik am See! © Burkhard Jellonnek
SR Klassik am See
Spaniens musikalische Träume trotzen dem Fußball-Frust
Die Deutsche Radio Philharmonie begeistert mit dem Dirigenten Pablo Mielgo
Am Tag danach war zumindest der größte Teil der deutschen Fußballfans im Publikum des Open Airs „Klassik am See“ nicht gut auf Spanien zu sprechen. Zu tief hatte die Europameisterschaft auch bei den Liebhabern der klassischen Musik seine Spuren hinterlassen, als dass man mit der Programmauswahl für den diesjährigen, von gut 4.000 Zuhörern besuchten Konzerts beim Publikum hätte punkten können. Zumal es sich Dirigent Pablo Mielgo als Chef des Sinfonie-Orchesters der Balearen nicht nehmen ließ, mit seinem Kommentar, keinen Elfmeter nach vermeintlichem Handspiel im Spiel gesehen zu haben, das Messer tief ins Herz der deutschen Fußballseele zu stechen. Dabei hatten doch schon SR-Intendant Martin Grasmück, Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Klassik am See-Veranstalter Joachim Arnold die Friedensfahne für diesen ganz anderen spanischen Traum geschwungen und auf gut Wetter gemacht. Und das ebenfalls im doppeldeutigen Sinne, denn aller Regenwarnungen zum Trotz blieb es an diesem stimmungsvollen Abend am Losheimer See trocken, doch machten sich nach der Pause schnell die Temperaturen um kühle 12 Grad breit. Wohl dem, der Decken und Pullover neben Kerzen, Wein, Käse und Baguette zu diesem musikalischen Picknick mitgebracht hatte.
Für die anderen Ingredienzen eines mitreißenden Abends sorgte das Orchester. Die Deutsche Radio Philharmonie hatte sich voll und ganz auf ihren Chefdirigenten Pablo Mielgo bei seinem „Heimspiel“ verlassen. Wie beim One-Touch-Spiel der Fußball-Stars auf dem grünen Rasen wurden die Musiker dem Motto „Sueños españoles“ auf den Punkt gerecht, präziser Orchesterklang, tontechnisch auf das Feinste abgestimmt durch die unterstützende Soundtechnik am Mischpult, kamen die Solisten hervorragend zur Geltung – trotz alle Orchesterkraft. Allen voran der Geiger Francisco Fullana, der mit jeder Faser seines Körpers bis hin zu den funkelnden, großen Augen, seinem internationalen Ruf mehr als gerecht wurde. SR-Moderator Roland Kunz, bestens aufgelegt und im unaufgeregten Plauderton viel Hintergrundwissen an das Publikum bringend, verkniff sich natürlich nicht den Hinweis, dass Fullana hier die Geige „Mary Portman“ von Guarneri del Gesu spielte, die einst dem Geigenvirtuosen Fritz Kreisler gehörte. Chapeau dem Tausendsassa der Saiten für seine Interpretation von Eduard Dalos 2. Violinkonzert „Symphonie espagnole“, nachdem er zuvor schon mit Federico Chuecas „El Bateo“ zum Auftakt spanischer Musik buchstäblich abgeräumt hatte. Natürlich durfte nach der Pause „Carmen Suite No. 1“ von Georges Bizet nicht fehlen – ebenso wie eine temperamentvolle Flamenco-Sängerin, die die Verantwortlichen in Trinidad Montero gefunden hatten. Sie brillierte bei Manuel des Fallas expressivem „Amor Brujo – der Liebeszauber“ und glänzte auf Drängen von Orchesterchef Pablo Mielgo noch mit einer kurzen Solo-Zugabe. Eine großartige Stimme voller Esprit!
Last but not least ein weiterer Hochgenuss! Laura Lootens, junge deutsch-belgische Preisträgerin des hochkarätigen Segovia-Wettbewerbs in Spanien, meisterte an der klassischen Gitarre alle Herausforderungen von Joaquin Rodrigos „Concierto de Aranjuez“. Chapeau der jungen Künstlerin aus Marktoberdorf, aber auch ein dickes Lob für alle Verantwortlichen dieser „Klassik am See“-Ausgabe. Und ein großartiges Trostpflaster für alle von den spanischen Kickern gebeutelten Fußball-Seelen.
Burkhard Jellonnek