Von links nach rechts Vadim Volkov als Gärtner Antonio, Salomòm Zulic del Canto als Graf Amaviva, Valda Wilson als Gräfin , Algirdas Drevinskas als Don Basilio und Carmen Seibel als Page Cherubino © Martin Kaufhold
Glanzvoll, überzeugend und auf höchsten Niveau ist das Saarländische Staatstheater mit der Oper „Figaros Hochzeit“ von Wolfgang Amadeus Mozart in die neue Saison gestartet. Mit dieser Produktion braucht das hiesige Theater bundesweit keinen Vergleich zu scheuen.
Der Regisseurin Eva Maria Höckmayr ist mit diesem Figaro ein geradezu genialer Coup gelungen. Gemeinsam mit Volker Thiele (Bühne) und Julia Rösler (Kostüme) hat sie die im Absolutismus des Rokoko angesiedelte tiefsinnige Komödie in zeitloser Gültigkeit auf die Bühne gebracht.
Das beginnt schon mit dem Auftakt der Ouvertüre: auf drei miteinander kombinierten Drehbühnen werden die „dramatis personae“ in wechselnden Konstellationen und Räumen vorgestellt. Wer gehört zu wem? Wer hat was mit wem? Das ist ein eindrucksvolles Symbol für das Schwanken und die Unsicherheit der Gefühle. Und da wird ein Spannungsbogen aufgebaut, den die großartige Regie bis zum Ende des Dramas durchhält. Das Stück wird präzise und transparent präsentiert, das Publikum wird mitten hinein geführt in das Wechselspiel der Gefühle und Leidenschaften, der Irrungen, Wirrnisse und Intrigen am Hofe des Grafen Almaviva. Sex spielt eine wichtige Rolle in dieser Oper, die vielfach spärliche Bekleidung führt das deutlich vor Augen. Der Graf als liebestoller Gockel kann einfach keinem Rock ausweichen. Er ist zwar an seinem Hof ein uneingeschränkter Herrscher, wird jedoch von den weiblichen Protagonisten, die hier in bestem Einvernehmen handeln, eher vorgeführt denn gefürchtet.
Hier zeigt sich die von Mozart und seinem Librettisten Lorenzo da Ponte beabsichtigte frivole Herrschaftskritik in höchster Vollendung. Aber darum geht es der Regisseurin nicht in erster Linie, sie zeigt vielmehr, wie absolut modern und zeitlos die Macht der Triebe ist, wie Liebe, heftige Eifersucht und Dünkel die Beziehungen der Menschen vergällen und gehörig durcheinander bringen.
Slalomòn Zulic del Canto als Graf vermag zwar stimmlich nicht ganz zu überzeugen, brilliert aber mit aufbrausender Eifersucht, Machtgehabe und heftiger Sexgier. Er setzt seiner Gemahlin gehörig zu. Die Gräfin, verkörpert von der gesanglich wunderbaren Valda Wilson, leidet an diesem Mann, einfühlsam und innig beseelt singt sie ihren Part mit der Trauerarie „Dove sono“ als ergreifendem Höhepunkt. Aber am Ende schafft sie es im Bündnis vor allem mit Figaros Braut Susanna den Grafen vorzuführen. Almaviva ist scharf auf Susanna, möchte sie heimlich vernaschen, aber die Gräfin schlüpft in Susannas Rolle, gibt sich dem stürmischen Liebeswerben ihres am Ende blamierten Gatten hin und gibt großzügig verzeihend ihrem zerknirschten Geck, der sich endlich des wahren Wertes seiner Gattin bewusst zu werden scheint, eine neue Chance.
Großartig und stimmlich bestens disponiert ist auch das Paar Figaro (Markus Jaursch) und (die in jeder Hinsicht überzeugende) Marie Smolka als Susanna. Überhaupt sind die Damen in dieser Vorstellung ein schierer Glücksfall: Gesanglich und mit hinreißendem Spiel glänzen neben Wilson und Smolka Carmen Seibel als dahinschmelzender Page Cherubino, dessen Keckheit und Charme alle Damen betört, und den auch der Zorn des eifersüchtig wütenden Grafen nicht aus dem Konzept zu bringen scheint. Dann die schüchterne Barbarina (Bettina Maria Bauer), die der Page schließlich heiraten darf, und die souveräne Judith Braun als Marcellina, die beim Grafen einen Ehevertrag mit Figaro oder ersatzweise Geld einklagt. Dieses Ärgernis verflüchtigt sich jedoch, als sich völlig überraschend herausstellt, dass sie und ihr Gefährte Don Bartolo (mit seinem superbem Bass Hiroshi Matsui) die Eltern von Figaro sind, der ihnen als Kind abhandengekommen ist. So kommt es mehr oder weniger zum Happy End mit drei Hochzeitspaaren, denen der Graf seinen Segen geben muss. Hervorzuheben sind auch Algirdas Drevinskas mit seiner schlanken, wohlklingenden Tenorstimme, diensteifrig, hoch elegant und behände, als Haushofmeister ein listiger Verbündeter des Grafen, und in seiner Doppelrolle der unerbittliche Richter Don Curzio, der Figaro zugunsten von Marcellina verurteilen soll, bevor es zu der überraschende Wende kommt. Und schließlich Vadim Volkov als hinterhältiger Gärtner Antonio.
Das Staatsorchester, inspiriert und engagiert geführt von GMD Sébastien Rouland, begleitet enthusiastisch das Treiben auf der Bühne und gestaltet eindrucksvoll mit spritziger Interpretation die sprühend heitere Musik dieser Oper mit ihren grandiosen Duetten, Terzetten und Septetten. Die Bläser mögen bisweilen ein wenig hart klingen, aber das vermag den glanzvollen Gesamteindruck nicht zu schmälern.
Ein überaus gelungener Start in die neue Opernsaison. Red.