Judith Braun, Markus Jaursch, Ensemble © SST, Bettina Stöß
Gelungener Opern- und Tanzabend
An 28. Oktober ging der erste Tanzabend in der neuen Saison über die Bühne.
Es war ein fulminanter Start mit Bela Bartoks Oper „Herzog Blaubarts Burg“, inszeniert und choreografiert von Demis Volpi als Gast, der seine Karriere als Tänzer am Stuttgarter Ballett begann, ab 2006 auch choreografierte und 2013 zum Hauschoreografen avancierte. Seit 2020 ist er Tanzchef im Düsseldorfer Theater am Rhein und wechselt 2024 als Nachfolger von John Neumeier zum Hamburg Ballett.
An Bartoks Oper reizte ihn der gruselige Thriller, wie er im Programmheft des Staatstheaters betont. Aber auch der psychologische Zugang, der seinem Regiekonzept entspreche. Die Herausforderung, eine Oper zu inszenieren und zugleich choreografisch zu gestalten, hat er überzeugend gemeistert.
Judith, die Protagonistin des Stücks (glanzvoll dargestellt von der stimmlich, bestens disponierten Judith Braun) hat Elternhaus undund Bräutigam verlassen, um dem geheimnisumwitterten Herzog Blaubart auf dessen Burg zu folgen. Dessen Geheimnis möchte die selbstbewusste Frau auf den Grund gehen.
Auf ihr Drängen erhält sie von Blaubart (einfühlsam dargestellt und gesanglich souverän agierend: Markus Jauersch) die Schlüssel. Das beginnt bei der Burg, die wir weder innen noch außen als wuchtiges Bauwerk, sondern, wie der Choreograf ausführt, als (dunklen) Seelenraum erleben, in Szene gesetzt von dem ganz in Schwarz agierenden Tanzkollektiv, die Abgeschlossenheit der Burg symbolisierend im dunkel verhangenen Geviert der Bühne. Ujnd gerade noch zu erkennen, dank der behutsamen Lichtführung von Volker Weinhart.
Die Türen und das Innere der Kammern, zu denen sie führen, werden nichtgezeigt, sondern von SolistInnen des Tanzensembles einfühlsam in Kostümen (vorzüglich: Carola Valles) mitten auf der Bühne verkörpert, die symbolisch darstellen, was dort zu sehen ist. Etwa die Waffenkammer durch eine kriegerisch wirkende Brustbewährung, die Schatzkammer mit kostbarem Glitzer, der Garten durch buntere Blütenreihen.
Herzog Blaubart, offenbar ein psychisch gestörter Mensch, der meistens im Vordergrund rechts auf der Bühne agiert und mit Bauklötzen hantiert, die seine Burg abbilden, lässt sich die Schlüssel nacheinander von Judith abringen
Mehrfach – und vor der siebten und letzten Tür besonders eindringlich – deutet er die drohende Gefahr an und bittet sie, fleht sie geradezu an, sich auf die Liebe zu ihm zu einzulassen und von ihrer Wissensgier abzulassen. Aber vergebens. Beseelt von dem Wunsch, alles über ihn zu wissen, um ihn dann ganz besitzen zu können, verlangt sie auch den Schlüssel zur siebten Tür. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Von der Bühnendecke herab senkt sich das eisgraue Sterbezimmer. Judith erblickt drei ihrer Vorgängerinnen, die zu Eis erstarrt sind, und noch schwache Lebenszeichen zeigen. Rückkehr ist unmöglich und Judith wird ein Mantel umgelegt und eine Art Eiskrone aufgesetzt. Die ihr überreichten Chrysanthemen fallen ihr aus dem erstarrten Händen.
Bela Bartok hat die Musik zu diesem Drama (Libretto: Béla Balazs) mit psychlogischem Einfühlungsvermögen exzellent passend zum Text komponiert. Das Staatsorchester unter der kompetenten Leitung von Justus Thorau bietet eine vorzügliche Leistung und beweist abermals sein herausragendes Können. Auch das Bühnenbild in seiner schwarzen Schlichtheit und dem üppig eisigen Rund des Schreckenszimmers fügen sich nahtlos in die Gesamtpräsentation ein. Lang anhaltender Beifall des begeisterten Publikums.
Nach der Pause im zweiten Teil des Tanzabends dann Steijn Celis Choreografie zu dem etwas spröden Werk „Hard Boiled Variations“ des Komponisten Arnulf Hermann, der an der Hochschule für Musik des Saarlandes lehrt. Er hat diese Musik nach eigenem Bekunden „von Bewegungsformen aus gedacht, ohne die Bewegungsformen festzulegen“, ist also der Fantasie zur Choreografie freien Raum. Das Werk umfasst 15 einhalb Zyklen, deren Musik sich durch Klarheit, Präzision und vielfältige Beschleunigung auszeichnen und Bis ins kleinste Detail wahrnehmbar sind.
Steijn Celis mit seiner Tanztruppe in Glanzform, weiß diese Freiheit, die der Komponist mit seiner eher formalen Musik weidlich lässt, trefflich zu nutzen. Vor dem Hintergrund einer wüstenähnlichen Fantasielandschaft wechseln sich fantasiereiche Gruppen –, Duett- und Einzelauftritte ab, die sich durch glanzvolle choreografische Formensprache auszeichnen.
Wiederum bot das Orchester unter der präzisen Stabführung von Justus Thorau eine grandiose Leistung und wurde von den kristallinen Tonanforderung des Komponisten wunderbar inspiriert. Lobenswert sind auch das eindrucksvollen Bühnenbild von Markus Meyer und die wiederum fantasiereichen Kostümen von Carola Volles sowie der durchdachten Lichtregie.
Längerer freundlicher Beifall.
Insgesamt ein sehr gelungener Tanzabend.
Kurt Bohr