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Doppeloper Schönberg/Holst
Erwartung | Savitri
Von Magdalena Lambert
Das muss man sich mal vorstellen: da gibt es zwei im Jahr 1874 geborene Komponisten, die etwa zeitgleich (nämlich im Jahr 1908) an jeweils einer Kurz-Oper arbeiten, ohne voneinander zu wissen und nicht ahnen können, dass beide Werke einmal im fernen Saarbrücken zu einem „Doppel-Oper-Abend“ zusammengefasst werden. Welch ein Geniestreich! Wieder einmal landet das Saarländische Staatstheater mit Noch-Intendant Bodo Busse an der Spitze einen Coup der besonderen Art. Und erneut steht der Name Gustav Holst im Fokus, nachdem im Oktober 2024 dessen Oper „Sita“ am Saarbrücker Haus ihre Welt-Uraufführung erleben konnte. Der zutiefst britisch-traditionell-tonal agierende Gustav Holst wird konfrontiert mit einem Kollegen, der nicht kontrastreicher hätte sein können, nämlich mit dem Wiener „Neutöner“ Arnold Schönberg. Dieser schickt sich gerade im Jahr 1908 an, den sicheren Boden der Dur-Moll-Tonalität endgültig zu verlassen, um sich in andere, bislang auf dem Index stehende, ungewohnt-schockierende Klangwelten aufzumachen. Welch ein Gegensatz, hatte doch der Traditionalist Holst noch im Jahr 1913 mit seinem kolossal-tonalen Klanggemälde The planets (Die Planeten) Weltruhm erlangt.
Das Publikum kann sich bei der Premiere dem Experiment folgen, ob die aparte Gegenüberstellung von Arnold Schönbergs Oper „Erwartung“ und Gustav Holsts Oper „Savitri“ gelingt, denn für jedes Publikum kommt. Ganz sicher war die Rezeption dieser Klangwelten während der Zeit des Umbruchs nach 1910 nicht gerade einfach. Doch so unterschiedlich und gar unvereinbar die beiden Werke auf den ersten Blick erscheinen, so geschickt werden sie in den Inszenierungen zu einem Gesamtkonzeptnverbunden. Regisseur Fabian Sichert, der mit dieser Aufführung sein Regiedebüt feierte, hatte selbst die Idee, diese beiden Stücke an einem Abend aufzuführen.
Aber nicht nur auf inhaltlicher Ebene findet sich in der Beschäftigung mit Trauer und Verlust ein roter Faden, sondern insbesondere durch das szenische Konzept: So werden die Wände des naiv-kitschigen Hochzeitszimmers, in dem Savitri (Hanna Larissa Naujoks) mit dem Tod kämpft nach der Pause von ihr selbst, aber nun als Frau in „Erwartung“, nach und nach demontiert, während sie ausdrucksstark ihren Verlust betrauert. Eine neue Welt offenbart sich dadurch, in der die MusikerInnnen zwischen Flora und Fauna zum Teil der Inszenierung wurden. Von wo man im ersten Teil den sphärischen Frauenchor vermutet, zeigt sich nun eine Szenerie in der Natur, die durch Leinwandprojektionen in atmosphärisches Licht getaucht wird. Das Kammerorchester wird mit Schönbergs Musik dadurch mal zur bedrohlichen Silhouette, mal zum tröstlichen Gegenüber, während die Frau ihre Trauer durchlebt. Der Tod selbst ist zwar den ganzen Abend über präsent, jedoch nur im ersten Werk von Jeremy Boulton personifiziert – dadurch umso eindrücklicher: Mit bleicher Haut, zurückgegeltem Haar und pompösem Pelzmantel kämpft er mit durchdringender Stimme darum, Satyavans (Dustin Drosdziok) Leben zu beenden und seine Seele mitzunehmen.
Es ist kein Leichtes, in einer derart reduzierten Szenerie und mit wenigen ProtagonistInnen eine solch komplexe Thematik überzeugend darzustellen. Das Publikum honorierte die gelungene Umsetzung mit großzügigem Applaus.
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