Hans Zender © 2009 by Wolfram Lamparter/SWR
Hans Zender, der Komponist und langjährige Dirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken ist am 22.Oktober 82jährig in seinem Haus in Meersburg gestorben. OPUS hatte ihm in der Ausgabe 55 einen Portraitartikel gewidmet, den wir an dieser Stelle noch einmal wiedergeben.
Als der Dirigent und Komponist Hans Zender im Jahre 1980 den „Großen
Kunstpreis des Saarlandes“ erhielt, lag eine Dekade äußerst fruchtbarer Arbeit mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken hinter ihm. Zender hatte es in diesen Jahren zu einem Klangkörper geformt, der in Europa gehört wurde, nicht zuletzt durch die intensive Pflege der Neuen Musik. Hans Zender rückblickend: „Mein Bestreben war, dieses mir
anvertraute Orchester zu einem Höchstmaß an Erfahrung im Umgang mit Neuer Musik hinzuführen – natürlich nicht nur im Umgang mit Neuer Musik, sondern allgemein mit aller uns erreichbaren Musik, aber die Neue Musik war natürlich der zentrale Punkt, an dem ich arbeiten wollte, weil meiner Überzeugung nach auch die Pflege der Klassik und Romantik nur dann optimal möglich ist, wenn die Verwurzelung eines Klangapparates im 20. Jahrhundert stattfindet.“ Auf seinen Programmen standen neben Mozart, Beethoven und Schumann die jungen aufstrebenden Komponisten von damals, die heute zu den Klassikern des 20. Jahrhunderts gehören wie Bernd Alois Zimmermann, Bruno Maderna, Dieter Schnebel, Luigi Nono oder Morton Feldmann.
Am 1. September 1971 hatte Zender die Nachfolge von Rudolf Michl als Chefdirigent des SR-Orchesters angetreten. Es wehte ein neuer Wind auf dem Halberg: Zender war ein akribischer Einstudierer, aber auch ein Leiter, der die von ihm dirigierten Stücke und ihre Hintergründe perfekt
kannte und sie auch erklären konnte. Hans Zender war und ist der Philosoph unter den Dirigenten, er ist immer neugierig und einer, der im gesamten Orchester- und Kammermusikrepertoire ein sicheres Urteil hat. Auch bei traditioneller Musik weiß er immer um das Eigentliche und um die ästhetischen und historischen Zusammenhänge. Er hat in Saarbrücken
Mozart meisterhaft anders als gewohnt interpretiert, seine frühen Mahler-Ausdeutungen waren oft Sternstunden, und immer wieder fand er neue Ansätze wie etwa zur Tempofrage bei Beethovens Violinkonzert.
Alte Musik ließ er von zeitgenössischen Komponisten neu ausarbeiten. Seine umfassende Bildung macht ihn zu einer besonderen Persönlichkeit nicht nur am Dirigierpult. Seine Bücher wie „Happy New Ears“ öffneten neue Welten. Nach seiner Saarbrücker Zeit wurde Zender als Generalmusikdirektor an die Hamburgische Staatsoper berufen. Er wurde auch Chef beim Kammerorchester des Niederländischen Radios in Hilversum und gastierte bei zahlreichen Orchestern und bei den meisten
Ensembles für Neue Musik in Europa. Unzählig sind die Uraufführungen, die er dirigierte. Neben seiner dirigentischen Tätigkeit wurde Zender vor allem als Komponist gefeiert. Noch in Saarbrücken begann Zender mit der Oper „Stephen Climax“, einem Stück in der Tradition von Bernd Alois Zimmermann und seinem pluralistischen Ansatz. Zender setzte sich als Komponist auch mit Joseph Haydn und Franz Schubert auseinander. Prägend war ebenso seine Beschäftigung mit asiatischer Kunst und Philosophie. Ein Schlüsselwerk für Zender ist die Vertonung des Hoheliedes der Liebe „Shir Hashirim“, in dem Zender eine ganz neue Harmonik etablierte. „Vergangenheit ist nichts Abgeschlossenes“, so hat Zender einmal gesagt, „ihre Kräfte können sich neu formieren und auf eine kaum voraussagbare Weise neu auf unsere Gegenwart einwirken“.
Friedrich Spangemacher in OPUS 55 (Mai / Juni 2016) auf den Seiten 106 und 107