Prometheus © Bettina Stoess
Ludwig van Beethovens Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ wird selten gespielt, noch seltener getanzt. Es war eine gute Idee, dieses Stück als offizielle Feier des Staatstheaters Saarbrücken zum 250. Geburtstag Beethovens auszuwählen, in einer Produktion des Staatsballetts. Es ist ein sehr kraftvolles Stück geworden mit starken Ensemble-Szenen, mit bedeutungsschweren Figuren, mit durchweg stimmiger Choreographie und perfekten Tanzbewegungen. Das Staatsballett hat eine Meisterleistung vollbracht. Eine ‚Tutti‘-Performance, die ganz auf die starke Partitur Beethovens bezogen war, und die keinen Zweifel am Heroischen der Figur Prometheus ließ.
Nicht zufällig stand zur Entstehungszeit der Partitur Beethovens 3. Sinfonie, die „Eroica“ vor der Tür und man spürt das in vielen Momenten dieser Musik. Ballettchef Stijn Celis hat sich in seiner Inszenierung von solcher Kraft anstecken lassen. Und er hat seine Blicke auf die Figur des Prometheus ganz unterschiedlich geworfen: vom griechischen Mythos, wie ihn Hesoid und Aischylos erzählt haben, von der Rezeption dieses Mythos bis hin zu Goethe und Hölderlin, und er passt diese Figur des Menschenfreundes, des Mittlers zwischen Götter- und Menschenwelt bis in die Gegenwart ein. Die wenigen Überlieferungen der Figur in Beethovens ursprünglichem Ballett werden hier aufgegriffen, die Schaffung des Menschen und das Einhauchen des Lebens, wodurch sie zu menschlichen Leidenschaften fähig werden. Beethoven hat dieses Stück auch als humane Botschaft aufgefasst. Damals war auch Napoleon noch ein Hoffnungsträger für ihn, den er mit der demonstrativen Streichung seiner Widmung der „Eroica“ an ihn, Bonaparte, wegen seiner selbstinszenierten Kaiserkrönung ablehnte. Selbst Napoleon tritt in der Celis-Version auf: Als nackter Feldherr in langen Stiefeln.
Das Stück hat viele politische Momente: „Die Freiheit führt das Volk“, diese von Eugène Delacroix gemalte Szene wird – entfernt – immer wieder aufgegriffen in den sich versteinernden Skulpturen der Tänzer, die vor allem zu Beginn einen großen Eindruck machten – sie verorten das Stück gleichzeitig auch in die griechische Kunst. Dann gibt es einen Demonstrationszug von Maskierten mit den Figuren der Nike, der Siegesgöttin, es gibt angedeutete Kämpfe, Folter und Erschießungsszenen, und es gibt das Wegdrücken einer überdimensionierten Mauer, das Licht und Befreiung bringt.
Aber es sind natürlich die Momente des Prometheus-Mythos, die das Stück bestimmen: wenn das Feuer vom Olymp auf die Menschen geschickt wird, wenn der angekettete Prometheus vom Felsen befreit wird. Prometheus tritt in diesem Stück in verschiedener Gestalt auf, einmal kommt er als Frau aus dem Himmel. Vielleicht ist auch die Rita Heyworth-Figur im Badeanzug der 30er Jahre eine Verkörperung des Prometheus. Auch für das Divertissement hat Celis gesorgt, etwa in einem fast klassisch getanzten Pas de Deux mit Tutu und Spitzenschuhen. Das Schlussbild endet in einer Extase zu der metallisch-kriegerischen Musik von Lorenzo Bianchi Hoesch, der zu Beethovens Partitur eine neue Musik schrieb, die meist im Hintergrund blieb und eher atmosphärisch wirkte denn handlungstreibend.
Das Ganze spielte in einem eher kargen Bühnenbild, das die Bewegungen der Tänzer absolut in den Mittelpunkt stellte. Beeindruckend, als sich der schwarze Hintergrund wie eine Kameralinse öffnete und das Spiel plötzlich in eine Fiktion zu bringen schien.
Die Tänzer waren vorwiegend in engen Trikots in Körperfarbe gekleidet, bei denen die Accessoires besonders deutlich wurden wie das Korsettgestänge, das wie ein Gefängnis wirkte.
Das Staatsorchester spielte die Partitur mit großer Überzeugung, geleitet von Stefan Neubert. Dieses Ballett zum Beethoven-Jubiläum – übrigens in einer Kooperation mit der Beethoven-Stadt Bonn – war ein großer Coup, vor dem man den Hut ziehen muss.
Friedrich Spangemacher