Kampf auf offener Bühne um Noras Rolle als Frau und Mutter, gespielt von Christiane Motter. Gregor Trakis als Ehemann Helmer hat seine eigenen Vorstellungen © SST
Gut 140 Jahre ist Hendrik Ibsens Emanzipationsdrama „Nora“ inzwischen alt. Und hat an diesem gelungenen Abend unter dem Titel „Nora_Spielen!“ in der Alten Feuerwache nichts an Aktualität eingebüßt.
Nora, Ehegattin des soeben zum Bankdirektor beförderten Advokaten Torvald Helmer, träumt zu Beginn des Stückes vom nunmehr möglichen unbeschwerten Konsum, doch ihr Ehegatte will ihren Kreditwünschen erst nach seiner offiziellen Bestallung nachgeben. Eine Situation, die schnell aus dem Ruder läuft, als Nora ihr früheres Leben vor die Füße fällt und ihr damaliger Kreditgeber Krogstadt ihrem um seine Integrität fürchtenden Gatten mit einem Schuldschein bedroht und in eine Zwickmühle bringt, da er eben jenen Mitarbeiter in seiner Bank nach einem Kreditbetrug kündigen will. Christiane Motter als Nora zeigt den bitteren Erkenntnisprozess einer zunächst lebenslustigen Frau, die merkt, dass ihre Entscheidungsspielräume gering sind und – bedeutend schlimmer noch – ihrem Gatten seine Reputation wichtiger ist als die Liebe zu seiner Frau.
Christiane Motter zeigt ihre Nora als „Singvogel“ in dem goldverzierten Käfig, ihrem Puppenheim. Eine Frau, die ausbrechen will, die rebelliert, sich kleidet sich wie ein Mann, während Gregor Trakis fast wie im Akkord zum covid-gemäßen Desinfektionsmittel greift, um sich die Hände rein zu waschen. Das Pandemie-bedingte Spiel auf Abstand wird zum Sinnbild der Szene, die verspiegelte, glänzende Treppen-Absatzbühne lässt keinen rein in das vermeintliche Heimeligkeit versprechende Bankiershaus, das von dem Kindermädchen Anne-Marie (glänzend Martina Struppek in ihrer androgyn angelegten Verweigerung aller stereotypen Frauen- und Männerrollen) gehütet wird. Alles wird coram publico, am besten an der Table-Dance-Stange verhandelt. Gregor Trakis Advokat Helmer malt sich sein Bild von „seiner“ Ehefrau, in dem die echte Nora nicht mehr vorkommt, keinen Platz und somit keine Chance hat. Schirin Khodadadians Inszenierung setzt ganz auf die Strahlkraft Christiane Motters in einer ihrer besten Rollen am Staatstheater. Schade, dass die Männerfiguren des intriganten Rechtsanwalts Krogstadt (Thorsten Köhler) und des kranken Doktor Rank (Fabian Gröver) den Abend nicht wirklich befeuern.
Burkhard Jellonnek