Der Pianist Saelm Ashkar © Luidmila Jermies
Die Deutsche Radio Corona bietet neue Konzerterlebnisse. Die Abstandsregeln können eine neue Ästhehtik des Klanges schaffen. Denn statt der großen Streicherbesetzung ist der Klang nun viel diversifizierter und hat für das Hörerlebnis ganz unterschiedliche Auswirkungen, wie sich im letzten Konzert der Deutschen Radio Philharmonie zeigte. Die Ziehharmonika-Aufstellung ließ das Klavierkonzert von Mozert etwas zerfasern, führte Mendelssohn aber zu neuen Hörerlebnissen. Und in einem mythischen Sibelius kommt man zu ganz neuen Erfahrungen. Das Konzert am vergangenen Freitag war ein Abenteuer. Bläser, die – coronabedingt – nicht in der Masse auftreten dürfen, spielten zum Auftakt im Quintett einen Grieg, der wärmte und schon in die kommende Winterzeit einstimmte Dann der Mozart mit dem Pianisten Salem Ashkar, in dem die Musiker nicht zu dem gewohnten einheitlichen Klang kamen, was den Dialogcharakter von Solo und Tutti etwas eintrübte. Das bereitete auch dem Pianisten, der offensichtlich gewohnt ist, ein Teil des Ganzen zu sein, Probleme. Mit welcher Souveränität Ashkar spielen kann, zeigte er am Beginn des langsamen Satzes in der Hochspannung seines Vortrages, aber auch in den exaltiereten Passagen des Finalsatzes. Im ersten Satz hingegen fand er noch nicht zu seinem Spiel. Zu tupfenweise kamen auch die Orchesterinstrumente. Die traditionelle Bühnenaufstellung mit dem Klavier an der Rampe schien hier etwas kontraproduktiv gewesen zu sein, das Klavier hätte inmitten der Orchesterinstrumente besser gestanden.
Dann aber ein unbekannter Sibelius: „Rakastava“ (Der Liebende op. 14). Wie modern das klang und wie uralt zugleich! Das fahle Licht, die Erlebnisse in der finnischen Natur drangen durch, der Schlag der finnischen Menschen, die Stimmung des Märchenerzählens, die Stimmung der Mythen und auch das Nachdenkliche. Das Orchestermosaik führte zu einem überwältigenden Klang der Introspektion und zu einem Klangfarbengemälde, das teils ganz modern klang. Sehr plastisch war der „Weg des Geliebten“durch die Natur im 2. Satz, manchmal schattenhaft, dann wie suchend, dann drängend, man ‚hört‘ den Wald, die Berge und die Seen fast an sich vorbeiziehen, bis Sibelius schroff den Vorhang zieht, ein ‚Cut‘ als Schluss – auf so etwas muss man kommen. Überhaupt waren die Schlüsse in diesem Werk bewunderswert.
Am Ende des Konzert stand schließlich ein Sinnenbad mit Felix Mendelssohns „Italienischer Sinfone“. Immerhin konnte auf dem tennisplatzgroßen Feld der Bühne eine 6er- Streicherbesetzung untergebracht werden und alle Bläser, die in diesem Stück eine so große Rolle spielen. Die Verteilung auf der Bühne brachte neue Höreindrücke, das pralle Leben dieses Stückes war jederzeit und überall zu spüren. Die Lust der Musiker am Musizieren war ansteckend. Inkinen hatte instinktiv verstanden, wie er mit dieser so verteilten Besetzung umgehen musste, um den integralen ansteckenden Klang dieser Sinfonie aufzudecken. Es war ein Erlebnis, und ein Experiment, das zeigte, dass neue Deutungen klassischer und romantischer Musik in Corona-Zeiten möglich sind. Hut ab für dieses gelungene Konzert.
Friedrich Spangemacher zum Konzert am 25.09.2020