Mannheims Schauspielintendant Christian Holtzhauer bereitet sich auf die nächste Spielzeit vor © Foto: Christian Kleiner
Herr Holtzhauer, normalerweise haben Sie immer viel Trubel um sich. Wie sieht denn momentan Ihr Arbeitsalltag aus?
Seit Wochen ist es grässlich still um mich herum. Momentan ist nur ein kleiner Mitarbeiterstab im Haus. Viele Kolleginnen und Kollegen sind im Home-Office. Das Kartentelefon ist natürlich besetzt, weil unsere Zuschauer und Abonnenten anrufen und wissen wollen, wie es weitergeht. Die Wenigen, die da sind, arbeiten auf Hochtouren.
Was sind für Sie gerade die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung ist tatsächlich zu verstehen, was diese Krise für uns bedeutet. Das war anfangs nicht so klar. Als wir im März den Spielbetrieb einstellten, dachte ich eine Zeit lang noch, wir würden nach Ostern wieder spielen. Doch Ende April mussten wir den Rest der Spielzeit dann absagen. Mittlerweile wissen wir, dass auch in der nächsten Spielzeit der Theaterbetrieb anders aussehen wird, als wir das bisher gewohnt waren. Es werden wesentlich weniger Menschen im Zuschauerraum sitzen und auch die Inszenierungen werden an die Abstandsregeln und Hygienevorschriften angepasst. Ich versuche, das als eine besondere künstlerische Herausforderung zu begreifen. Momentan liegt unser Hauptaugenmerk darauf, schnell einen Corona konformen Probenbetrieb aufnehmen zu können.
Wie viele Zuschauer werden Sie im Schauspielhaus einlassen können?
Wenn sich an den Abstandsregeln nichts ändert, werden wir im Schauspielhaus 107 der 620 Plätze belegen. Diese wenigen Zuschauer sitzen trotzdem im ganzen Saal verteilt. Das wird sich für die Zuschauer, aber auch für die Schauspieler zunächst ungewohnt anfühlen. Ich hoffe, dass unsere Zuschauer trotzdem Gefallen an dieser Zwischenlösung finden.
Ist die Krise für Sie auch eine Chance, neue Formate auszuprobieren?
Auf jeden Fall. Wir werden in der nächsten Spielzeit eine Blüte kleinerer Formate erleben. Wir arbeiten im Moment an Monologen, an Ein- und Zweipersonen-Stücken, wir haben aber auch größere Produktionen geplant. Wir haben uns seit Beginn der Corona-Krise noch intensiver mit den Kommunikationsmöglichkeiten im Internet beschäftigt und für das „digitale Nationaltheater“ spannende neue Formate entwickelt. Ich kann mir vorstellen, dass wir einige davon beibehalten, wenn wir wieder in den normalen Spielbetrieb zurückkehren. Wir werden außerdem mehr außerhalb unserer eigenen, traditionellen Theaterräume spielen und planen Inszenierungen im Stadtraum. Auch die Glasfassade des Theaters eignet sich wunderbar zum Bespielen. Die Schauspieler können drinnen sein und die Zuschauer draußen davor.
Interview: Astrid Möslinger für das OPUS Kulturmagazin Nr. 80 (Juli / August 2020) in der Rubrik Bühne