Luiza Braz Batista © Oliver Look
Rückblende 2014: In einem Ballettsaal der Folkwang Universität Essen arbeitet Tanzikone Susanne Linke mit einer Gruppe. Eine schwarzgelockte junge Frau im grünen Oberteil tanzt aus der Reihe (bildlich gesprochen). Hochkonzentriert ist sie vollkommen der Bewegung hingegeben, ohne sich in ihr zu verlieren. Ein Jahr später: Luiza Braz Batista steht auf der Bühne des Theaters Trier, diesmal als Solotänzerin der Company Susanne Linke, die als Direktorin die Sparte Tanz des Theaters übernommen hat. „Nemmokna“ (Ankommen) heißt das Stück, mit dem sich das neue Tanzensemble an der Mosel vorstellt. Neuerlich fasziniert, wie noch in vielen folgenden Produktionen, die Unbedingtheit mit der die junge Tänzerin aus Brasilien ihre Rolle verinnerlicht. Wenn Luiza Braz Batista tanzt, tanzt der ganze Mensch. „Wenn ich etwas anfange, bin ich ganz da“, sagt die Künstlerin. Da klingt dann ihre unverwechselbare, leicht rauchige Stimme hart und entschieden.
Entschiedenheit besaß wohl schon das kleine Mädchen aus Belo Horizonte, als es mit 11 Jahren feststellte: „Ich will Tänzerin werden.“ Bereits 5 Jahre später, noch in der klassischen Tanzausbildung, erhält es – nun professionelle Tänzerin – erste Auszeichnungen. 2007 wechselte die junge Künstlerin nach Essen an die damalige Folkwang Hochschule. Dort lernt sie Susanne Linke kennen, die sie später in ihr berühmtes „Frauenballett“ aufnimmt. Große Namen der Tanzkunst versammelt die Tanzbiografie der Künstlerin seitdem. Neben Linke sind Pina Bausch und Suely Machado darunter. Susanne Linke folgt die Tänzerin schließlich nach Trier. Ihre einstige Tanzchefin ist inzwischen zumindest in Trier Geschichte. Und auch Luiza Braz Batista ist längst nicht mehr nur Tänzerin, sondern, wenn auch verortet im Trierer Schauspielensemble, eine beeindruckende, eigenständige Crossover-Künstlerin, die tanzt, singt, spielt und choreografiert. Auch das ganzheitlich: In der Kunst der 32-Jährigen verdichten sich Körper, Geist und Seele zur großen, vielsprachigen synergetischen Einheit. „Die Körperlichkeit ist mir ganz wichtig“, sagt die Künstlerin. „Ich möchte alle Mittel nutzen, die mein Körper besitzt, um meine Geschichte zu erzählen.“ Ihr Multitalent und ganzheitliches Verständnis künstlerischer Ausdruckskraft faszinierte erst unlängst in ihrer Trierer Solo- Perfomance „Orlando“ nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf. Geste, Bewegung und Sprache wurden darin zu vielstimmigen und vielgestaltigen Erzählern, zum poetischen Ausdruck geistiger und seelischer Befindlichkeit. Schon vorher hatte die Künstlerin mit solcher Synergie als Maria in der Operita „Maria de Buenos Aires“ spielend und singend beeindruckt (Regie: Karin Maria Piening). Genauso wie in der großartigen Inszenierung „Unruhe“ des Londoner Choreografen Hannes Langolf.
Trotz Soloauftritten: Luiza Braz Batista ist keine Selbstdarstellerin. Am liebsten arbeitet sie im Ensemble, und das Publikum spielt für die junge Frau eine Hauptrolle. „Mir ist extrem wichtig, mit dem Publikum in Dialog zu treten, auch wenn er kontrovers ist, wie die Künstlerin betont: „Es ist wunderbar, in die Gesichter zu schauen und zu sehen, dass sich dort etwas bewegt.“ Das gilt auch für ihre jüngste Rolle: Als Gast hat sie gerade die Eurydike in Pina Bauschs Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ am Tanztheater Wuppertal getanzt.
Eva-Maria Reuther für das OPUS Kulturmagazin Nr. 91 (Mai / Juni 2022)