Kämpft für Hyrule und bald vielleicht im Hochschuldienst — Link aus dem Spiel The Legend of Zelda im Computerspielemuseum Berlin © Computerspielmuseum
Man stelle sich einmal Folgendes vor: Ein Oberstudienrat im Hochschuldienst und eine interessierte Studentin besprechen sich rege über „The Legend of Zelda“. Über den ästhetischen Bruch, den der Ableger „Windwaker“ im Jahr 2003 in die Reihe mit dem verwendeten Cel-Shading-Grafikstil brachte, und ob man die hierüber ausgelösten Kontroversen einer genaueren Analyse unterziehen oder für die Hausarbeit nicht doch lieber einen Vergleich unterschiedlicher Hyrule-Legenden vornehmen solle. Man stelle sich eine ebenso angeregte Unterhaltung über Vor- und Nachteile möglicher Weiterverkäufe digital erworbener Computerspiele am bildungsbürgerlichen Küchentisch vor. Oder ein Fachreferat über die Entwicklung von Super Mario. Einen Schüleraufsatz über die Erzähltechnik in „Red Dead Redemption 2“ vielleicht. Man stelle sich vor, das Computerspiel sei ein Medium mit ebensolcher kultureller Bedeutung wie die Literatur, die bildende Kunst, die Musik oder der Film und die Entwickler und Gestalter von Computerspielen seien ebensolche anerkannten Künstler wie ihre anerkannten Künstlerkollegen, nämlich die Autoren, die Komponisten, die Regisseure und dergleichen Kulturschaffenden mehr. Man stelle sich vor, die Nutzung und Betrachtung der digitalen Werke sei neben dem bloßen Vergnügen auch Ausdruck kulturellen Verständnisses, Ausdruck von Interpretations- und Kommunikationskompetenz, vielleicht sogar von Bildung. Das alles sind zuweilen gar nicht einmal so schwierige Vorstellungen, wie der eine oder die andere womöglich glauben könnte. Denn auch wenn im besagten oberstudienrätlichen Büro die Ästhetik der Texte Thomas Manns gewiss auch in Zukunft häufiger diskutiert werden als jene Fragestellungen, die die Zeldareihe angehen, so ist das Computerspiel längst nicht mehr eine eigenartige Nischenbeschäftigung einiger Jugendlicher und Kinder, sondern Teil der Gesellschaft und Bestandteil ihrer Kultur geworden. Anders gesagt: Diese Vorstellungen sind deshalb nicht mehr ganz so schwierig, weil sie so oder so ähnlich bereits Realität geworden sind. Das kann man gut finden, das kann man kritisieren, doch dass das Computerspiel mit allen seinen Facetten einen Platz im kulturellen Leben bekommen hat, das lässt sich nicht mehr ignorieren.
Und mit diesem Platz ist gerade nicht die industrielle und wirtschaftliche Bedeutung gemeint, die Computerspiele zweifelsohne haben, sondern das Auftreten der Games in den Feuilletons aller großen Tages- und Wochenzeitungen, ihre Stellung im gesellschaftlich-politischen Diskurs, nicht zuletzt ihre Aufnahme als Kulturgut in den Deutschen Kulturrat. Warum also das Kulturgut Computerspiele mit Frage- und nicht mit Ausrufezeichen versehen? Eben weil das digitale Spielen trotz dieser Entwicklungen noch immer mit seiner Anerkennung im Kulturbetrieb zu kämpfen hat. Auch OPUS möchte diese Entwicklungen nicht ignorieren und gleichzeitig dem Gaming, seinen Entwicklungen und Wechselwirkungen eine kulturelle Plattform in der Großregion und darüber hinaus bieten.
Wenn Games also bereits zu Ihrer kulturellen Wirklichkeit gehören, Sie sie schätzen gelernt und bisher an dieser Stelle noch vermisst haben, dann dürfen Sie sich freuen. Sofern Sie die Szenen um unseren fiktiven Gamingdozenten, die studentischen Fragestellungen, die Küchengespräche und die Schulreferate nicht überzeugen konnten und das Computerspiel als Kulturgut für Sie noch zum Unvorstellbaren gehört, dann möchten wir Ihnen das Interview mit Mascha Tobe empfehlen. Als Sprach- und Literaturwissenschaftlerin sowie Kuratorin des Computerspielmuseums in Berlin ist für sie das Computerspiel als kulturelles Gut nicht nur vorstellbar, sondern selbstverständlich.
Benedikt Theis in OPUS 74 (Juli / August 2019) auf S. 94-95
Hinweis: Infos zu Games gibt es in Gaming-Zeitschriften, die auf folgenden Links zu finden sind:
www.meedia.de/2017/01/27/eine-branche-kapituliert-fast-alle-games-magazine-
www.cision.de/media-updates/gaming-10-spannende-magazine-aus-deutschland/steigen-nach-den-massiven-auflagen-verlusten-aus-der-ivw-aus/