Staatssekretär Guy Arendt – © Ministère de la Culture
von Eva-Maria Reuther
aus OPUS 66, Seite 146/147
Luxemburg steht fest zur Kultur und zum kulturellen Angebot. Das ist für Kulturstaatssekretär Guy Arendt keine Frage. „Kultur spielt in der Luxembur-ger Gesellschaft eine wesentliche Rolle“, weiß der Politiker. In einer Zeit, in der vieles auseinanderzubrechen drohe, sei sie geradezu so etwas wie der „Zement der Gesellschaft“. Überhaupt besitzt für den Rechtsanwalt die Kultur eine große synergetische Kraft, die gleichermaßen Vergangenheit und Traditionen wie das aktuelle gesellschaftliche Zusammen-leben zusammenführt. Dass man im Ministerium am Boulevard Roosevelt Tradition und Gegenwart bekömmlich zu verbinden sucht, wird gleich beim Eintreten deutlich. In der Eingangs-halle des historischen Gebäudes stehen und hängen Werke zeitgenössischer Luxemburger Künstler, darunter eine dynamische Holzskulptur von Jhemp Bastin und ein Gemälde von Roland Schauls. „Unsere Kulturszene ist sehr aktiv“, bestätigt Arendt, „und damit auch permanent im Wandel“.
Mit Stolz weist der Kulturpolitiker daraufhin, dass das landeseigene Kulturleben keinesfalls den Vergleich mit dem Ausland zu scheuen brauche. Dessen Kulturfreunde kommen inzwischen aus den Nachbarländern begeistert über die Grenze, seit das Land in Folge des ersten Europäischen Kulturjahres 1995 eine Reihe hochattraktiver kultureller Leuchttürme geschaffen hat. Darunter die Philharmonie mit ihren internationalen Gastspielen, das Grand Théâtre, das Nationalmuseum und das Mudam sowie das Festungsmuseum. Natürlich gelte es, solche Institutionen auch weiterhin als Standortfaktor, Anreiz für ein internationales Publikum und nicht zuletzt als Qualitätsangebot für die eigene Bevölkerung zu fördern. Beim Stichwort Angebot für die Bürger mag so mancher Deutscher vor Neid erblassen angesichts der niedrigen staatlich subventionierten Eintrittspreise für die hochkarätigen Angebote. Für Arendt eine selbstverständliche soziale Pflicht: „Die Bürger müssen sich die Preise leisten können, um Zugang zu den Kultureinrichtungen zu haben“.
Ein neues Projekt: Die Luxemburger Nationalgalerie
Künftig soll das Angebot noch durch eine weitere identitätsstiftende Institu-tion erweitert werden. Nach dem Um-zug der Nationalbibliothek im Herbst in ihren Neubau auf dem Kirchberg, soll in einem Teil ihrer einstigen Räume die vieldiskutierte Luxemburger Natio-nalgalerie eingerichtet werden. Arendt gehört zu den Schrittmachern des Gale-rie-Projekts. „Ich finde, es wird höchste Zeit, einen Platz zu schaffen, nicht nur für Luxemburger Künstler, sondern auch für die in Luxemburg ansässigen“. Wie andernorts gilt es auch in Luxem-burg, die Balance zwischen Breiten- und Hochkultur zu halten. Das sieht auch der Kulturstaatssekretär so. „Breitenkul-tur muss sein. Wir wollen schließlich die Kultur zu den Menschen bringen“. Eine bedeutende Rolle spielt für ihn dabei die frühzeitige Förderung von Kindern und Jugendlichen und ein entsprechendes Bildungsangebot. „Wir müssen Kinder und Jugendliche so früh wie möglich mit Kultur in Verbindung bringen“, erklärt der Politiker. Oft ergebe sich daraus eine erfreuliche Rückkopplung. „Die bringen dann häufig ihrerseits ihre Eltern mit“. Und dann wird der Jurist zum Poeten: „Der kulturelle Samen sollte in der Kindheit gelegt werden, damit er später sprießen kann“.
Nach der Hauptstadt Luxemburg und der Großregion wird 2020 die einstige Stahlmetropole Esch-sur-Alzette Europäische Kulturhauptstadt. Eine Nominierung, auf die Arendt nicht nur stolz ist, sondern von deren Wirkung er sich auch viel für die Konsolidierung der schwierigen Luxemburger Minette Region verspricht. „Liebe“ hat sich die künftige Kulturhauptstadt als Motto gewählt. Die wird sicher beflügelt durch die rund 40 Millionen Euro, mit denen sich das Land an den Gesamtkosten von gut 60 Millionen beteiligt. „Wir versprechen uns von dem Projekt eine Dynamisierung des Südens“, sagt Arendt. „Es ist wichtig, dass die verschiedenen Gemein-den dort wieder enger zusammenarbeiten“. Als kleines Land ist Luxemburg seit jeher darauf angewiesen, Künstler aus dem Ausland zu importieren, allerdings können sich auch die eigenen Kulturexporte gerade im Bereich Musik und Literatur sehen lassen. Künftig wird das Land einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse haben. Sein Kunst-Pavillon bei der Biennale in Venedig findet seit jeher Beachtung. Trotz beneidenswerter wirtschaftlicher Verhältnisse etwa im Vergleich zu den Kulturinstitutionen und freien Gruppen der deutschen Anrainer, hat auch die Luxemburger Kulturszene ihre Problemzonen. Ein Kulturentwicklungsplan soll daher künftig die Ausrichtung der nationalen Kulturpolitik, ihre Strategien sowie klar formulierte Ziele und die sich daraus ergebenden Förderrichtlinien festlegen. Dabei sollen die Interessen sämtlicher Kulturschaffenden und -initiativen an-gemessen berücksichtigt werden. Zur Vorbereitung hatte das Kulturministerium zu den „Assis culturelles“ eingeladen, einem Forum, bei dem die Kultur-aktiven aller Sparten zu Wort kommen sollten. Die Resonanz war groß. Stolze 450 Teilnehmer versammelten sich im Grand Théâtre. Erste Ergebnisse und Inhalte des zu erstellenden Plans sol-len im Juli veröffentlicht werden. An manchen Stellen werde es Anpassungen geben, deutet Arendt an. Man werde Schwerpunkte bilden müssen. Mehr will der Politiker vorab nicht verraten. Nicht in Frage stehen der Wille des Landes zur Kulturförderung und ein permanent steigender Kulturetat. Wer Luxemburg bereist, lernt das kleine Großherzogtum schnell als ein Land mit einer ungeheuer lebendigen Binnenstruktur kennen. Das gilt auch im kulturellen Bereich. Überall gibt es Kulturhäuser und -zentren, zahl-reich sind die Musikschulen, lebendig ist die Theaterszene. Für Arendt ist die Sa-che klar: „Hier in unserem Land besteht gleichermaßen das Bedürfnis der Bürger nach Kultur wie der Wille zur kulturellen Vielfalt“. Auch bei ihm selbst. In seiner Freizeit hört der Staatssekretär gern klassische Musik und widmet sich der Landschaftsfotografie. Wohin er seine kulturbeflissenen Besucher führt? Guy Arendt überlegt. Da gäbe es jede Menge. Allem voran das Luxemburger Unesco-Weltkulturerbe, wozu neben Festung und Altstadt auch die „Family of Man“ in Clerf wie die Echternacher Springprozession gehören.