Die Saarbrückerin Meike Stein ist Teil des Moderatoren-Trios von „Papierstau“ © Foto Meike Stein
„Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der Natur geschenkt bekam, sondern sich aus eigenem Geist erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die größte”, lautet ein Zitat von Hermann Hesse. Glaubt man dem Autor von „Siddhartha“ und „Der Steppenwolf“, wäre das eigentlich Ansporn genug, regelmäßig in die Welt der Literatur abzutauchen. Doch gerade unter jungen Menschen gehört der Griff zum Buch nicht gerade zu den Freizeittrends. Während 2018 noch 39 Prozent der Jugendlichen regelmäßig ein Buch lasen, waren es 2019 nur noch 34 Prozent, wie aus einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest hervorgeht. Diesem rückläufigen Trend versuchen Meike Stein aus Saarbrücken, Robin Schneevogt aus Münster und Anika Falke aus Hannover etwas entgegenzusetzen.
2016 gründete Schneevogt den Literaturpodcast „Papierstau”, Stein und Falke stießen einige Zeit später dazu. Inzwischen gehört das Format zu den größten Literaturpodcasts Deutschlands. Über 140 Folgen sind bereits online gegangen, mehr als 2000 Hörer*innen lauschen jeden Monat den wöchentlichen Folgen der drei Lesebegeisterten. Neben Neuigkeiten und Debatten aus der Welt der Literatur werden pro Folge in der Regel drei Bücher vorgestellt und diskutiert. „Unsere Motivation ist es, jede Woche eine aktuelle Literatur-Show zu produzieren, wie wir sie selbst gerne hören würden“, sagt Meike Stein. Gerade junge Menschen möchten die drei für anspruchsvolle Literatur begeistern. Besprochen werden nicht nur aktuelle Neuerscheinungen, sondern auch Klassiker und ‚versteckte Schätze’. Zudem stehen junge, mutige Debüts, internationale Neuerscheinungen und Bücher, die Leser*innen durch formelle Innovationen und außergewöhnliche Inhalte herausfordern im Fokus. Auch Autor*innen kommen in gesonderten Interviewfolgen regelmäßig selbst zu Wort. „Wir interviewen nur Autor*innen, deren Arbeit wir besonders schätzen. Hinsichtlich der Interviewpartner*innen brüsten wir uns gerne damit, dass wir die härteste Tür im Podcast-Business haben“, merkt Stein scherzhaft an.
Die Podcast-Folgen zeichnen sich aus durch eine authentische Mischung aus ernsthafter Analyse der Texte und unterhaltsamer Diskussion. „Niveau und Spaß schließen sich ja nicht gegenseitig aus“, sagt Stein und führt weiter aus: „Unsere Ansprache ist jung, direkt und setzt auf die Persönlichkeiten in unserem Team sowie die Dynamik, die in den Gesprächen dadurch entsteht. Der Content muss mitreißend, verständlich und anspruchsvoll sein, das ist unser Ziel.“ Eine Mischung, die sicherlich zum Erfolg des Formats beiträgt.
Wie groß die Liebe zur Literatur der drei Podcaster*innen tatsächlich ist, zeigte sich nicht zuletzt im Spätsommer dieses Jahres: Als offizieller Kooperationspartner des Deutschen Buchpreises wurden innerhalb eines Monats alle 20 Titel der Longlist gelesen und in vier Podcast-Folgen besprochen. Mit diesem gewaltigen Lesepensum lässt sich dann wohl auch der scherzhaft gemeinte Untertitel des Podcasts – „Knechte der Literatur“ – erklären.
Johann Emilian Horras im OPUS Kulturmagazin Nr. 82 (November / Dezember 2020)