Podium bei der Kick-off-Veranstaltung zur IBA GR, 2.v.l. Prof. Jens Metz, Prof. Stefan Ochs, Initiator und Leiter des Projekts; im Podium von links, Prof. Peter Swinnen, Jean-Marc Biry, Dr. Martha Doehler-Behzadi, Dr. Ursula Baus, Sally Below © Julia Schygulla
Seit nunmehr zehn Jahren wirbt der htw-Professor Stefan Ochs für eine grenzüberschreitende internationale Bauausstellung in der Großregion, eine IBA – GR. Jetzt brachte die saarländische Präsidentschaft des Gipfels der Großregion einen neuen Schub in die Diskussion, denn Ministerpräsident Tobias Hans erklärte eine solche IBA zum Schwerpunktvorhaben seiner Präsidentschaft. In der Trägerschaft der htw Saar und unter der Leitung von Prof. Stefan Ochs beginnt eine zweijährige Vorprüfphase. Es sollen „Chancen und Möglichkeiten sowie die Nachhaltigkeit und Machbarkeit einer gemeinsamen IBA der Großregion ausgelotet werden,“ erklärte Roland Theis, Bevollmächtigter für Europaangelegenheiten des Saarlandes. Das Motto „Europa leben“ gibt die Zielrichtung vor. Es geht also nicht nur darum, grenzüberschreitende, gleichzeitig regionalbezogene Zukunftsthemen zu entwickeln, sondern sie in einer Machbarkeitsstudie auch wissenschaftlich zu überprüfen. Kurz gesagt, Ochs darf nachdenken, wie ein gemeinsames Dach gebaut werden kann. Zu hoffen ist, dass sich viele Mitdenker finden, die das kleine Team nicht allein lassen bei der Suche nach dem identitätsstiftenden und imagebildenden Geist der Großregion, die sich durch ihre enorme Vielfalt auszeichnet. Zusammengesetzt aus fünf Regionen mit drei Sprachen, mit elf Millionen Einwohnern in 5000 Gemeinden, mit dünnbesiedelten ländlichen Gebieten und solchen mit städtischer Dichte, mit Pendlern als Grenzgänger, mit jeweils eigenen politischen Institutionen und durchaus nicht immer vergleichbaren Verwaltungsstrukturen und schließlich auch auseinanderklaffender Wirtschaftskraft, ist es ein ehrgeiziges Projekt
Die Eröffnungs-Werkstatt im März 2020 in Göttelborn zeigte mit einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen mögliche Themen auf, berichtete von den Erfahrungen mit anderen zurzeit laufenden IBAs und brachte Hinweise auf eventuell auftretende Schwierigkeiten. Internationale Bauausstellungen, die es seit Jahrzehnten gibt, erstrecken sich in der Regel über einen Zeitraum von zehn Jahren und setzen unterschiedlichste Akzente. Immer jedoch thematisierten sie architektonisch-gestalterische und gesellschaftliche Fragen, zu ihrer Triebfeder wurde der die Wirtschaft ankurbelnde Wohnungsbau. Er steht auch im Mittelpunkt der IBA Alzette-Belval in der luxemburgisch-französischen Grenzregion, die den Bau von Wohnungen für ca. 25.000 Menschen vorsieht. Sie ist kein Konkurrent für die weit gefasste IBA – GR – 32. Denn „Europa leben“ bedeutet, sich bis 2032 mit dem Strukturwandel von Stadt und Land zu beschäftigen, mit zurückgehenden Bevölkerungszahlen, mit Klimawandel und Nachhaltigkeit, mit Mobilität und Infrastruktur. Mit welchen Gebäuden heute und in Zukunft grenzüberschreitende Zeichen zu setzen sind, wird sicher auch ein Thema sein und stellt dabei die Frage nach Technik, Materialität, Ökologie.
Ministerpräsident Tobias Hans ist von der Idee der IBA – GR – 32 entflammt, aber gilt das auch für die weiteren Akteure? Die Präsidentschaft der Großregion wechselt alle zwei Jahre. Da die Prä-IBA-GR-Werkstatt erst Anfang des Jahres ihre Arbeit aufnehmen konnte, hofft sie auf mindestens ein weiteres Zuwendungsjahr. Das ist dann vielleicht der Lackmustest auf den Zusammenhalt in der Großregion. Nur mit einem gemeinsamen politischen Willen lässt sich diese IBA umsetzen. Ohne Politiker, die sich an die Spitze stellen, das Projekt in der Öffentlichkeit vertreten, andere antreiben, Fallstricke aus dem Wege räumen, ist es zum Scheitern verdammt. Oder wie es Roland Theis ausdrückte: „Wir brauchen Mut zum Gelingen, neue Wege zu gehen und etwas noch nie Dagewesenes zu wagen.“
Marlen Dittmann im OPUS Kulturmagazin Nr. 79 (Mai / Juni 2020) in der Rubrik Baukunst
Weitere Informationen: www.iba-gr.eu