Funkhaus Halberg, Flugaufnahme © SR, Foto Alexander M. Gross
Offenbar im Zusammenhang mit der Diskussion um den Rundfunk-Staatsvertrag und die Forderung nach Strukturreformen aus dem Bereich der Politik hat sich der Intendant des Südwestrundfunks, Kai Gniffke, mit sparorientierten Strukturüberlegungen hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Südwestrundfunk (SWR) und dem SR zu Wort gemeldet. Als Intendant des SR haben Sie diesen Vorschlag zurückgewiesen. Was sind Ihre Gründe?
Als Intendant des SR habe ich die Pflicht stets zum Wohle des Senders zu handeln und Schaden von ihm abzuwenden. Dabei trage ich Verantwortung gegenüber der SR- Belegschaft, meinen Gremien, gegenüber der saarländischen Politik und vor allem auch gegenüber unserem Publikum hier im Saarland. Der konkrete Vorstoß des SWR-Kollegen ist überdimensioniert, seine Überlegungen erfolgen zur Unzeit und erreichten mich über ein Zeitungsinterview, in dem dann auch noch über eine Fusion SWR/SR sinniert und versucht wird, sie als Reform zu verkaufen. Ich habe mal gelernt, dass Reformen Veränderungen zum Besseren sein sollen. Um es gleich vorweg zu nehmen, ein Zusammenschluss zwischen SWR und SR käme das Saarland im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen. Was blieb mir da anderes übrig als den Kollegen zunächst einmal in seine SWR-Schranken zu verweisen.
Dabei muss man wissen, dass ich, wie kein anderer, Kooperationen im ARD-Verbund forciere und u. a. mit dem SWR, dem WDR, dem ZDF und dem Deutschlandradio erfolgreich auf den Weg gebracht habe.
Der Vorstoß des SWR-Kollegen, mit dem ich im Übrigen ein partnerschaftliches und respektvolles Miteinander praktiziere, würde jedoch die Selbständigkeit des SR infrage stellen und das ist für mich ein absolutes Tabu. In dieser Einschätzung habe ich die volle Unterstützung der Personalvertretung und der Gewerkschaften auf dem Halberg ebenso wie der SR-Gremien, Rundfunkrat und Verwaltungsrat und der saarländischen Landespolitik.
In der Vergangenheit ist in der überregionalen Rundfunkkooperation schon manches umgesetzt worden. Können Sie das kurz erläutern?
Seit Bestehen des SWR gibt es mit dem SR ein kooperiertes Drittes Fernsehprogramm mit regionalem Fenster für den SR, ebenso ein kooperiertes Radio für junge Hörer (UNSERDING (SR)/Das Ding (SWR)) und weitere Programmübernahmen, etwa bei SR 2 KulturRadio in Kooperation mit dem Deutschlandradio. SR und SWR haben seit 2006 das bisher einzige senderübergreifende Orchester, die „Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern“ (DRP). Daneben existieren in den Bereichen Verwaltung, Technik und Produktion zahlreiche Kooperationen, u. a. – einzigartig in der ARD – eine gemeinsame Hauptabteilung IDA (Information, Dokumentation, Archive), eine gemeinsame Innenrevision, ein gemeinsam organisierter Rundfunkbeitrags-Einzug, ein gemeinsames Playout-Center in Baden-Baden. Weitere Kooperationen etwa im Einkauf oder bei der Personalverwaltung sind in Planung. Im Ergebnis wollen wir die ARD durch weitere Kooperationen zu einem föderalen Medienverbund fortentwickeln.
Nach einigen bissigen Kommentaren und Meldungen in den Printmedien spricht manches dafür, dass die Forderung nach Fusion des SR mit einer anderen Rundfunkanstalt wieder auf die Tagesordnung gerät. Sie haben sich bislang erfolgreich für die Eigenständigkeit des SR eingesetzt. Warum soll das so bleiben und warum ist es für das Saarland so wichtig, einen eigenen Sender zu haben?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk folgt nicht in erster Linie ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, sondern leitet seine Berechtigung als Kulturfaktor ab, so der SR für das Saarland als Grenzregion. Auf Basis der besonderen saarländischen Geschichte hat sich der SR in der ARD ein unverwechselbares Profil erarbeitet und ist z. B. der Sender mit der höchsten Frankreichkompetenz, wovon auch die ARD im europäischen Kontext sehr profitiert. So ist der SR eben nicht nur ein saarländisches Medium im Sinne eines Informationsvermittlers, sondern auch als Unterstützer der heimischen Kultur, sei es als Veranstalter oder auch als Preisstifter, als Heimatgeber und Brückenbauer in der Großregion, als Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber für das Saarland. Diese unschlagbare regionale Kompetenz ist übrigens unser Überlebenselixir im Kampf gegen die Internetgiganten Google und Co. Im Übrigen wäre eine Fusion mit dem SWR sogar teurer als der Erhalt unserer Eigenständigkeit, weil der SR aufgrund zahlreicher Sparorgien in der Vergangenheit wesentlich kostengünstiger arbeitet als unsere Nachbaranstalt.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben Sie zur Legitimation der Eigenständigkeit während ihrer Amtszeit im SR gesetzt?
Ich habe in meiner zehnjährigen Amtszeit auf Augenhöhe, Sparsamkeit und auf Qualität gesetzt. Augenhöhe, indem ich zweimal den Finanzausgleich in der ARD erfolgreich durchgeboxt habe, Sparsamkeit, indem ich in zwei Organisationsreformen konsequent Hierarchien abgebaut und die Arbeitsabläufe optimiert habe. Qualität, indem ich einerseits voll und ganz auf Digitalisierung gesetzt habe, sei es in den internen Arbeitsabläufen, sei es durch das virtuelle Fernsehstudio, sei es durch den Ausbau der digitalen Verbreitungswege. Andererseits durch konsequentes crossmediales Arbeiten, also der internen Zusammenführung von Hörfunk, Fernsehen und online, wodurch der SR eine enorme Wirkkraft im Saarland entwickeln konnte. Aktuell sind wir dabei unsere inhaltliche Digitalstrategie, also unseren Auftritt im Internet konsequent weiterzuentwickeln, damit wir auch für die junge Generation attraktiv bleiben. Hinzu kommt nach außen ein Auftreten in der ARD auf Augenhöhe mit den Großen. Im Gegenzug bekommen sie dafür ein Stück unverwechselbarer Kompetenz aus unseren Erfahrungen in der Grenzregion Saar-Lor-Lux, etwa durch die Federführung für die Tour de France und den deutsch-französischen Journalistenpreis (DFJP) und den Vorsitz in der deutsch-französischen Medienkommission. Alles in allem werbe ich in der ARD gerne mit dem Slogan: SR – die Feinheit der kleinen Einheit!
Wo sehen Sie Ansätze für weitere Zusammenarbeit mit anderen Sendern, und wo sollten Grenzen gezogen werden?
Die bisherigen, wohlüberlegten und dosierten Kooperationen zwischen SWR und SR können allen anderen Sendern als „Blaupause“ dienen, wobei ich meinem SWR-Kollegen immer klargemacht habe, mindestens noch den HR mit ins Boot zu nehmen und in der Produktion gerne auch das ZDF. Das wäre ein starkes Zeichen aus dem Südwesten in die Republik und hätte den Vorteil, dass man nicht immer mutmaßen müsste, dass alles letztlich auf eine Fusion zwischen SWR und SR hinauslaufen würde. Denn Kooperationen verkippen dann, wenn die eigene Selbstständigkeit in Gefahr gerät und die Abhängigkeit so groß wird, dass die Augenhöhe verloren geht. Übrigens, wetten, dass der SWR von seinen aktuellen Vorschlägen sofort Abstand nehmen würde, wenn ich als Gegenvorschlag eine mögliche Fusion SR/SWR am Standort Saarbrücken unterbreiten würde.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine solide Grundlage. Was sind seine Vorzüge?
In der aktuellen Zeit, in der die Medien weltweit häufig unter politischen Druck geraten und JournalistInnen eingesperrt werden, ist ein vom Staat und von wirtschaftlichen Einflüssen unabhängiger Rundfunk für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaftsordnung unverzichtbar. Unser hierauf basierendes beitragsfinanziertes System garantiert dies und gilt nicht ohne Grund als eines der besten weltweit.
Wie kann es gelingen, die Legitimität und die Notwendigkeit des öffentlichen Rundfunks in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dauerhaft zu verankern?
In erster Linie, indem wir qualitativ bestes Programm abliefern und ganz nah bei den Menschen bleiben. Sicherlich kann man es nicht immer allen recht machen, vieles ist einfach Geschmacksache, aber es muss unser tagtägliches Ziel bleiben, unseren anspruchsvollen Auftrag bestmöglich zu erfüllen. Mit dieser Frage beschäftige ich mich jeden Tag und ich meine, im Saarland kriegen wir das auch ganz gut hin. Dennoch, nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Dies ist mein Tagesmotto. Übrigens, die extrem hohen Einschaltquoten gerade in Krisenzeiten sind der beste Beweis dafür, dass man uns vertraut.
Wie kann es gelingen, den zunächst an Sachsen-Anhalt gescheiterten Rundfunkstaatsvertrag durch die Länderparlamente zu bringen?
Die Zustimmungsverweigerung der Beitragsanpassung durch Sachsen-Anhalt ist gemessen an den bisherigen Vorgaben des BVerfG offensichtlich verfassungswidrig. Sie hätte nur verweigert werden dürfen, wenn man der Auffassung wäre, 86 Cent im Monat – als erstmalige Erhöhung des Beitrags nach 10 Jahren – führten zu sozialunverträglichen Belastungen beim Beitragszahler. Ich erwarte, dass das höchste deutsche Gericht, bei dem wir Klage eingereicht haben, die rein politisch motivierte Verweigerung in diesem Sinne korrigieren wird.
Herr Prof. Kleist, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Das Interview führte Dr. Kurt Bohr für das OPUS Kulturmagazin Nr. 84 (März/April 2021)