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Grenzenloser Jubel um die neuen Comedian Harmonists

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Kongenial den Sound der Comedian Harmonists getroffen: Das „wiederauferstandene“ Sextett im Staatstheater mit v.l. Nicolas Ries (Robert Biberti), Anton Kuzenok (Ari Leschnikoff), Jakob Kleinschrot (Erich Abraham-Collin), Samuel Türksoy (Harry Frommermann), Max Dollinger (Roman Cykowski) © Martin Kaufhold, Saarländisches Staatstheater

Glänzende Regie und Einrichtung von Thomas Winter und Jörg Daniel Heinzmann

Ja, sind wir denn beim Rocco del Schlacko, sind wir denn im Ludwigspark? So gerockt wurde Hitlers damaliges Fake-Geschenk Gautheater, heute Staatstheater, schon lange nicht mehr. Ein Publikum, in der Mehrzahl der Erinnerung an die legendären Comedian Harmonists deutlich näher als den Pop-Events heutiger Tage, riss den Bau ab, um noch in den Genuss weiterer, im Übrigen nicht gehörter Zugaben zu kommen. Und die dabei erreichten Dezibel-Werte übertrafen den wohltemperierten Gesang der sechs Herren im Frack deutlich.

Dabei war es doch nur ein Liederabend mit eingestreuten Schauspieleinlagen. Aber was für einer! Einer zur rechten Zeit, buchstäblich am Vorabend der Landtagswahl in Brandenburg, der angesichts der drohenden AfD-Gewinne keinen mehr ruhig schlafen lässt. Auch wenn Geschichte sich vermeintlich nicht wiederholt, der von Thomas Winter und Jörg Daniel Heinzmann eingerichtete, fast dreistündige Musiktheater-Abend zeigt den atemraubenden Aufstieg der Comedian Harmonists um den Band-Erfinder Harry Frommermann, die im Gefolge des in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts populären US-amerikanischen Männer-Vokalquartetts „The Revelers“ diesen unvergesslichen A-Capella-Sound auch in Deutschland zur Meisterschaft trieben. Sie starteten binnen weniger Jahren eine Weltkarriere, die zwischenzeitlich nur noch von den Beatles, Adele oder Taylor Swift getoppt wurde. Doch trotz aller internationalen Meriten und weltweit ausverkaufter Säle wurde deren Musik ob ihrer drei jüdischen Sänger als „jüdisch-marxistisches Geplärr“ denunziert und die Aufnahme dieser Künstler in Goebbels Reichskulturkammer wegen „fehlender Zuverlässigkeit“ abgelehnt.

In Thomas Winters Inszenierung wird deutlich, wie diese Form der Ausgrenzung am Zusammenhalt dieser eingeschworenen Kameradschaft („Ein Freund, ein guter Freund, ist doch das beste auf der ganzen Welt“) nagt und das Ensemble in zwei Ensembles wie die linientreuen „Meistersinger“ und die internationalen „Comedian Harmonists“ zerfällt. Dass der Theaterabend am Ende kein Funkkolleg oder eine wohlfeile Geschichtsstunde wurde, dafür sorgt vor allen Dingen Jörg Daniel Heinzmann mit seiner musikalischen Leitung. Wer das Original der 1941 sich auflösenden Comedian Harmonists in den unzähligen Plattenaufnahmen gehört hat, der kann Heinzmanns Einstudierung all dieser beeindruckenden Songs der damaligen Popstars mit ihren Welthits nur kongenial nennen. Unter Begleitung des vortrefflich und präzise spielenden Pianisten Rick Henry van Ginkel entwickeln die fünf Stimmen – vom raumfüllenden Bass eines Nicolas Ries (Robert Biberti) über Anton Kuzenoks strahlendem Tenor (Ari Leschnikoff),  Max Dollingers Bariton (Roman Cykowski), Jakob Kleinschrots Tenor (Erich Collin) und Frontman Samuel Türksoys Falsett-Stimme (Harry Frommermann)  unter dessen Leitung einen Klangkörper, der mit Präzision, Tempo und Brillanz diesen eigentlich für unnachahmlich gehaltenen Sound der großen Vorbilder wiederauferstehen lässt. Egal, ob sie die Weltliteratur der Konzertsäle anklingen lassen, Volkslieder oder Gassenhauer wie „Veronika, der Lenz ist da!“ präsentieren, jazzig daherkommen oder alberne Schlager wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ besingen, das Publikum wird zu Begeisterungsstürmen und rhythmischem Klatschen hingerissen. Unübertroffen, wenn sie mit ihren Stimmen  a-capella ganzen Orchestern Konkurrenz machen.

Chapeau! In solchen Momenten singen sie im Ludwigspark immer „oh wie ist das schön!“ Das gilt an diesem langen Abend auch für das Staatstheater! Auch wenn überdeutlich wurde, für welchen Kulturverlust die Nationalsozialisten gesorgt haben. Ein Abend, der auch eine Warnung ist, das so etwas nie wieder geschehen darf!

von Burkhard Jellonnek

Weitere Aufführungen:  27. September, 03., 05., 13., 20. Oktober, 10. und 16. November, 11., 19., 27. und 29. Dezember, Großes Haus. Weitere Termine in 2025

www.staatstheater.saarland

 

Filed Under: Kritik

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