FESTSPIELHAUS BADEN-BADEN
Sonntag, 15. Mai 2022, 18 Uhr
Zugfahrt mit Königinnen
Mirga Gražinytė-Tyla und Gabriela Montero mit Musik von Bruckner und Tschaikowsky.
Bei manchen Konzertprogrammen lohnt es sich, kurz einen Blick auf die Tempoangaben zu werfen: Mit „Maestoso“ bei Bruckner und sogar „molto maestoso“ bei Tschaikowsky sind die jeweils ersten Sätze der beiden Werke überschrieben, die am Sonntag, dem 15. Mai ab 18 Uhr im Festspielhaus Baden-Baden erklingen werden. Majestätisch also beginnen Bruckners sechste Sinfonie und Tschaikowskys erstes Klavierkonzert, dargeboten von Gabriela Montero und dem City of Birmingham Orchestra mit seiner Musikdirektorin Mirga Gražinytė-Tyla.
Mutter aller Ohrwürmer
Peter Tschaikowskys 1. Klavierkonzert ist sozusagen die Mutter aller Klavierkonzerte – mit Ohrwurm verdächtigen Themen und viel Raum für romantische Schwelgereien und virtuose Tastenkunst. Diese Musik, die seit bald 150 Jahren zu den meistgespielten Hits gehört, ist ein reines tänzerisches Fest der Klänge – das jedoch stets die Form wahrt.
Kein Wunder, dass solche Musik sich auch beim Publikum großer Beliebtheit erfreut. Bruckner und Tschaikowsky waren Zeitgenossen und Kinder einer Epoche, als die Musiker die intimen Salons verließen und die große Bühne eroberten. Zahlreiche Konzerthäuser sind damals entstanden und wollten mit entsprechender Musik bespielt werden. Eines der berühmtesten Werke der Zeit ist Tschaikowskys erwähntes Konzert, dessen majestätische Einleitung auch denjenigen Menschen in den Ohren klingt, die ansonsten mit klassischer Musik eher wenig anfangen können. Eine Einspielung durch den Pianisten Van Cliburn wurde als Schallplatte 1961 mehr als eine Million Mal verkauft, ein bis dahin von keinem anderen klassischen Werk erreichter Rekord. Tschaikowskys Konzert, das 1875 uraufgeführt wurde, ist also ein bewährtes Schlachtross des Repertoires. Die berühmte Einstiegsmelodie – sie prägt nur die langsame Einleitung des ersten Satzes und ist also noch nicht das „erste Thema“ – zählt zu den schönsten melodischen Einfällen des Komponisten. Der zweite Satz mischt reizvoll ein poetisches Andantino mit einem dahineilenden Scherzo.
Wenn einer eine Reise tut
Der langsame Satz und das Scherzo waren übrigens die einzigen Sätze seiner sechsten Sinfonie, die Anton Brucker im Konzert hören durfte – die 1881 vollendete Sinfonie wurde erst lange nach dem Tod des Komponisten uraufgeführt, in ihrer unretouchierten Fassung sogar erst 1935. Seitdem steigt jedoch die Beliebtheit des Werkes bei Dirigenten wie Publikum. Sie ist, bei immer noch riesigen Dimensionen, eine der schlanksten Sinfonien des Komponisten. Der Komponist selbst nannte sie „meine keckste“. Das Adagio mit seinem ausdrucksvollen Trauermarsch in der Mitte zählt zu den schönsten Zeugnissen Brucknerscher Musik. Der erste Satz hingegen verdankt seinen charakterlichen Maschinen-Rhythmus einer recht prosaischen Tatsache: Rhythmus wie Hauptthema fielen dem Komponisten während einer Zugfahrt ein.
Ausnahmetalent
Ein größeres Talent als die venezolanische Pianistin Gabriela Montero, so die große Pianistin Martha Argerich, sei ihr selten begegnet.
Die Klassikwelt wurde schnell auf sie aufmerksam, beim Chopin-Wettbewerb in Warschau 1995 gewann Gabriela Montero den dritten Preis, weitere Auszeichnungen wie Echo Klassik und Grammy-Nominierungen folgten. Seither spielt sie auf der ganzen Welt und wird von renommierten Orchestern eingeladen wie dem Chicago Symphony Orchestra, dem Gewandhausorchester Leipzig, der Academy of St. Martin in the Fields, dem Cleveland Orchestra und den Wiener Symphonikern. Sie gab Konzerte u. a. in der Wigmore Hall, im Kennedy Center, im Konzerthaus Wien, in der Berliner Philharmonie, an der Sydney Opera, im Concertgebouw Amsterdam oder der Luxembourg Philharmonie.
Mirga Gražinytė-Tyla stammt aus einer litauischen Musikerfamilie. Durch ihre Eltern – ihr Vater ist Chordirigent und lehrt an der Litauischen Musikakademie, ihre Mutter ist Pianistin – kam sie früh zur Musik und absolvierte bereits neben ihrer schulischen Laufbahn eine Ausbildung zur Chordirigentin. Ab 2004 studierte sie zunächst Chor-, später dann Orchesterdirigieren in Graz, anschließend in Bologna, an der Musikhochschule Leipzig und an der Zürcher Hochschule der Künste. International machte sie 2012 auf sich aufmerksam, als sie bei den Salzburger Festspielen mit dem „Young Conductors Award“ ausgezeichnet wurde. Auf ein Dudamel Fellowship beim Los Angeles Philharmonic folgten Einladungen zahlreicher Orchester und Opernhäuser weltweit. Nach Stationen als Zweite Kapellmeisterin beim Theater und Orchester Heidelberg und als Erste Kapellmeisterin am Konzert-Theater Bern und Musikdirektorin des Salzburger Landestheaters, ist Mirga Gražinytė-Tyla seit September 2016 Music Director des City of Birmingham Symphony Orchestra.
Das City of Birmingham Symphony Orchestra ist das musikalische Flaggschiff Birminghams und der West Midlands. Sein Ruf geht weit über England hinaus, es wird zu den weltweit bedeutenden Klangkörpern gezählt. Das unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla aufgenommene Album mit Weinberg-Sinfonien wurde 2020 sowohl mit dem OPUS Klassik als auch dem Gramophon Classical Music Award ausgezeichnet.
Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de
Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101