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Machtstreben und Luxus oder: Wie es sich als Frau eines Diktators lebt

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Vorn Stefan Röttig als Juan Peròn, hinten Mitte Betina Mönch als Evita © Martin Kaufhold

Sprechen wir über das Musical: Generalintendant Bodo Busse hat sich jüngst stark dafür eingesetzt, das Musical als Genre wieder stärker in die Spielpläne der Opernhäuser zu verankern. Das geht und funktioniert mit „My Fair Lady“ und der „West Side Story“ sehr gut, beim Musical-Imperium von Andrew Lloyd Webber ist das schon fast unmöglich. Lloyd-Webber – ohne Frage einer der kreativsten Musical-Komponisten des letzten halben Jahrhunderts – verkauft nicht nur seine Musik, sondern man muss als ausführendes Haus auch seine Inszenierung, Bühnenbilder, quasi das Gesamtpaket erwerben – und dann noch gegen seine ‚Bayreuths‘ in aller Welt ankämpfen, in denen sein Imperium Musicalunterhaltung wie in Freizeitparks anbietet. Und doch griff Busse jetzt auf ein Stück von Lloyd-Webber zurück, denn offensichtlich sind die Vorgaben bei dem Musical „Evita“, das jetzt im Großen Haus des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken herauskam, nicht so streng wie etwa bei „Cats“ oder „Starlight Express“, so dass hier mehr als nur neue Nuancen gesetzt werden konnten. Und das hat sehr überzeugend mit dem Regisseur Gil Mehmert geklappt.

Es geht um die Geschichte der Frau des argentinischen Diktators Peròn, um ihr Machtstreben, ihren Hang zum Luxus, aber auch um ihre karitative Tätigkeiten und schließlich – damit kommen wir zum Kern des Musicallibrettos – um ihr Selbstverständnis als eine First Lady, die die eigentlichen Fäden in der Politik zieht. Die Geschichte ist eher ein Plot für eine große Oper, und das hat Busse wohl auch gespürt, als er sich für dieses Stück entschied. Gil Mehmert hat die Momente der großen Gesten ausgekostet, den Soloarien spektakuläre Auftritte ermöglicht, mit Beatrice von Bomhard Bilder geschaffen, die sich einbrennen wie die Himmelfahrt des weißen Kleides von Evita aus einem überdimensionierten Bilderrahmen. Mehmert hat auch Momente des Brecht-Theaters einfließen lassen, er hat sich an bekannten Szenen der aktuellen Bürgerbewegungen orientiert und Evita einmal sogar als Alice Weidel auftreten lassen. Er hat dem Stück die aktuelle politische Brisanz gegeben, gezeigt wie Diktatoren und Autokraten sich verkaufen können und Stimmen fangen, und wie die damals schon existierenden Massenmedien – hier das Radio – eine entscheidende Rolle spielten, um das Wahlvolk zu täuschen.

Die Besetzung ist Spitzenklasse, David Jacobs als Che, Freund Evas, aber auch Kommentator, Kommunikator mit dem Publikum, ist ein ungemein agiler, körperlich sehr präsenter, aber stimmlich auch mitreißender Charakter, und er überzeugt neben Bettina Mönch, die die Evita spielt, am meisten. Mönch hat einen bestimmenden und dominanten Ton in ihrer Stimme kultiviert, der wenig Empathie vermittelt, aber dem Charakter dieser Powerfrau Eva Peròn wohl sehr nahe kommt und damit glaubwürdig ist. Mönch beherrscht die ganze Bühne mit ihrer gestischen Präsenz, und ist musikalisch absolut überzeugend mit ihrer so perfekten Stimme.

Die Dichte und die Logik der Inszenierung kann sich natürlich auf die Musik verlassen, die sich sehr stark an und aus dem Titelsong „Don’t cry for me Argentina“ bedient als eine Art von Leitmotiv. Die kleine Band im Orchestergraben – aus dem Staatsorchester waren lediglich einige Bläser dabei – war vorzüglich, und sie hat es wunderbar geschafft, die Illusion von großem sinfonischen Klang und der Agilität eines Tangoensembles zu realisieren. Ja, der Tango, der sich durch den ersten Teil zieht, die unendlichen Tanzszenen, waren eine Augenweide mit den großartigen Bewegungen und dem Gefühl einer Dauerparty in Buenos Aires. Natürlich, das sollte man nicht vergessen: Das war eine große Bühnenshow, zu der alle Beteiligten, Sängerensemble, Chor, Kinderchor, Tänzer und Statisten beitrugen. Für diese Show gab es einen Riesenapplaus.

Friedrich Spangemacher

 

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