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Eine Parabel über das alte Österreich: DVD-Neuerscheinung Hotel Sacher

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Wien, am Silvesterabend 1913: Der Lemberger Bezirkshauptmann Dr. Stephan Schefczuk (Willy Birgel) betritt das noch von Anna Sacher (Hedwig Bleibtreu) persönlich geführte erste Haus am Platze. Gerade erst von Spionagevorwürfen entlastet, erwartet ihn dort wegen neuer Bezichtigungen die Polizei. Es gelingt ihm jedoch, seine Verhaftung noch um einige Stunden hinauszuzögern. Schefczuk begibt sich daraufhin zur Silvesterdarbietung in die benachbarte Hofoper, wo er seine einstige große Liebe, Nadja Woroneff (Sybille Schmitz), in der Loge der russischen Botschaft erblickt. Rasch keimt ein alter Verdacht erneut in ihm auf.

Dies ist ein Anriss des für die deutsche Ufa in Wien gedrehten Spionagefilms Hotel Sacher aus dem Jahr 1939, der von der Wiesbadener Murnau-Stiftung neu digitalisiert und jetzt gemeinsam mit LEONINE in einer remasterten Fassung auf DVD und Blu-ray veröffentlicht wurde.

Er bietet jedem Nostalgiker beste Unterhaltung, dem zeitgeschichtlich Interessierten hervorragende Impressionen. Dafür sorgt Regisseur Erich Engel, der geschickt zwischen Drama und Heiterkeit vermittelt und es versteht, die Handlungsstränge elegant miteinander zu verflechten. Dafür sorgt nicht minder eine Reihe sehr solide agierender Darsteller, von denen etliche der Wiener Filmszene angehörten. Einen gewichtigen Anteil am Attraktionspotenzial des Filmes haben zudem die traditionsträchtigen Handlungsorte, Hotel und Oper: Jenes glaubhaft im Studio nachempfunden, diese durch die sorgfältig inszenierte Festaufführung verlebendigt. Was dem Streifen die subtil-melancholische Note gibt, ist die für den ernsteren ‚Wiener Film‘ beliebte Ansiedlung des Plots in der Spätphase der Habsburgermonarchie.

Man mag es für bittere Ironie der Geschichte halten, dass der Film Hotel Sacher, am Vorabend des Untergangs des alten Europas situiert, ausgerechnet vor einem noch größeren Abgrund gedreht wurde und in die Kinos kam. Indes eignet ihm keine propagandistische Tendenz. Zwar wird die politisch-geografische Situation vor dem Ersten Weltkrieg, der ‚Zweibund‘ zwischen Russland und Frankreich, thematisiert, aber nicht moralisch aufgeladen. Die Zeichnung des slawischstämmigen Staatsbeamten Schefczuk als vorbildlichen Österreicher steht sogar im impliziten Gegensatz zum während der Entstehung des Filmes herrschenden Zeitgeist. Insgesamt betrachtet, ist der innerfilmische Diskurs – über den im alten Österreich schwelenden Konflikt zwischen Loyalität zum Vielvölkerstaat und dem hervorbrechenden Nationalismus – glaubhaft und offenbar ohne revisionistische Intention ins Werk gesetzt.

Die DVD- bzw. Blu-ray-Edition des Schwarz-Weiß-Films (Bildformat 4:3 in einer 16:9-Box, Tonformat DD 2.0 Mono) wartet mit einem Booklet auf, das einen sehr erhellenden Text des Potsdamer Filmwissenschaftlers Guido Altendorf enthält. Der Original-Trailer fehlt ebenso wenig wie Audiodeskription. Auch Untertitel für Hörgeschädigte sind vorhanden. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass der Streifen nicht restauriert wurde, was angesichts heutiger Sehgewohnheiten beim Betrachten gewöhnungsbedürftig sein kann. Dennoch sei er angelegentlich empfohlen, vielleicht bei einer Tasse Kaffee und einem dem Filmtitel angemessenen Stück Torte.

Oliver Siebisch

© 2018 Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. © 2021 LEONINE

 

Filed Under: Kritik

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