Der vielseitige Autor Norman Ohler © Foto Markus Tedeskino
Er ist ein Phänomen, denn er schreibt Sachbücher, die sich so spannend lesen wie Romane. Und Romane, in denen man ganz nebenbei viel Wissen serviert bekommt. Und er versucht, in jedem Buch seinen Geburtsort Zweibrücken unterzubringen: Norman Ohler.
Das Sachbuch „Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich“ (2015) machte Norman Ohler (Jahrgang 1970) weltweit bekannt. Es ist ein Bestseller, in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Die Ergebnisse von Ohlers aufwändiger Recherche – er besuchte die Hamburger Journalistenschule – mündeten in ein Buch, das detailreich berichtet, wie Hitler das einnahm, was man heute Crystal Meth nennt, eine Droge, die wachhält. Sie machte Hitlers Blitzkrieg möglich und wurde bald allen Soldaten verabreicht. Das zu lesen, ist schockierend, es in einem Sachbuch zu lesen, das literarisch und doch sehr verständlich daherkommt, ist ein Meisterstück.
Ohler macht nie das, was man erwartet. Er wiederholt sich nicht. Das können nur ganz wenige Autoren in Deutschland. So schickte er die Leser mal kurz ins 18. Jahrhundert: In dem Roman „Die Gleichung des Lebens“ (2017) denkt Friedrich II., dass alles im Leben berechenbar ist. Er holt den Mathematiker Leonhard Euler nach Berlin. Er soll berechnen, wie man das große Sumpfgebiet im Oderbruch östlich von Berlin trockenlegt. Um Flüchtlinge anzusiedeln. Parallelen zur aktuellen Situation in Deutschland drängen sich auf.
Denn eine politische Haltung hatte Ohler schon immer. In „Harro & Libertas“ (2019) geht es wieder ums Dritte Reich, diesmal um die Widerstandsgruppe „Die Rote Kapelle“, um ein Liebespaar, das ein Netzwerk knüpft und die Nazis bekämpft. Es liest sich filmreif, wie so oft (er schrieb auch schon ein Drehbuch für Wim Wenders) und wieder erfährt man etwas Neues.
Neugierig war Ohler schon immer, auch wenn das bei seinen Lesungen nicht so rauskommt. Da ist er immer noch ein bisschen der scheue junge Mann, der 1995 seinen ersten Roman schrieb: „Die Quotenmaschine“, eine wilde nächtliche Odyssee. Das Besondere war, dass der Roman zuerst im Netz erschien, Deutschlands erster Internetroman. Es war der Auftakt zu Romanen, die in Metropolen wie New York, Berlin und Johannesburg spielen, wo Ohler zeitweise lebte. Aber auch als Stadtschreiber von Ramallah und von Jerusalem machte er Erfahrungen.
Was der vielfach preisgekrönte Pfälzer jenseits der Bücher treibt, kann man in Blogs lesen, und man kann ihn immer wieder live erleben in seiner Heimatstadt Zweibrücken, wohin er gerne zu Lesungen zurückkehrt.
Andrea Dittgen im OPUS Kulturmagazin Nr. 78 (März / April 2020) in der Rubrik „Literatur“