Angelos Samartzis als Don Carlos @ Astrid Karger
von Friedrich Spangemacher
Ein alternder König greift sich die junge Verlobte seines Sohnes und stürzt diesen ins Elend. Die junge Verlobte fügt sich dem Schicksal und ihrer adeligen Verpflichtung. Das Ganze spielt bei Königen, am Hofe Philipps II, dem so mächtigen Herrscher in Spanien, in dessen Reich die Sonne nicht unterging. Elisabeth de Valois ist die Verlobte und Don Carlos ihr Liebhaber. Staatsraison vor Liebesglück, auch wenn der alternde König spürt, dass er gar nicht geliebt wird. Das alles hat Friedrich Schiller in seinem Drama „Don Karlos“ angelegt und Giuseppe Verdi hat daraus eine leidenschaftliche Oper komponiert. Bei Verdi bleibt – im Gegensatz zu Schiller, der ein Drama des Freiheitskampfes schreibt – die politische Bühne im Hintergrund: Flandern und Brabant, wo die Ungläubigen, die Protestanten zu Hause sind, werden mit dem altbekannten und bis heute gültigen Dreisatz abgekanzelt: Ungläubige = Aufwiegler = Terroristen. Und trotzdem spielt die Historie auch in Verdis Oper hinein: wenn der König sich seine Absolution bei der Geistlichkeit holen will, um seinen Sohn zu töten, wenn Aufständische als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden und wenn die Huldigung an den König religiöse fast fanatische Züge annimmt. Don Carlos ist eine tragische Liebesgeschichte, zugleich aber auch eine, in der es um Machterhalt geht. Und es geht um das Scheitern der Guten.
Das Saarländische Staatstheater hat diese Oper nun auf die Bühne gebracht, und dass die Aufführung einen so schlüssig überzeugenden Eindruck hinterließ, ist vor allem dem Dirigenten Sébastien Rouland zu verdanken, der diese Partitur in allen Facetten ausleuchtet, das Bühnengeschehen interpretiert und zugleich die Sänger bewunderswert durch die nicht immer einfachen musikalischen Klippen führt. Die hymnischen Freiheitsgesänge klangen überaus selbstbewusst, patriotisch, die kirchlichen hatten diesen leichten kritischen Unterton, vor allem aber die lyrischen Szenen bekamen dadurch eine leidenschaftliche Tiefe, die alle mitriss. Da war kein Begleitorchester im Graben, sondern aktives Mitglied des gesamten Dramas. Und Rouland animierte alle Sänger zu Spitzenleistungen, allen voran natürlich den überragenden Don Carlos, von Angelos Samartzis gesungen. Von unglaublicher Tiefe auch der ausdrucksstarke Monolog des Königs (Paul Gay), als ihm klar wird, dass seine Frau ihn nicht liebt. Auch das anschließende Duett mit dem Grossinquisitor (Runi Brattaberg) war bewunderswert mit beiden rabenschwarzen Bassstimmen. Auch Judith Braun als die Prinzessin von Eboli steigerte sich im Verlauf des Stückes enorm. Einer der Höhepunkte war das Terzett von Eboli, Don Carlos und Rodrigo, dem Marquis von Posa, der ebenfalls glänzte. Sängerisch gab es keine einzige Einbuße.
Die Inszenierung übernahm Roland Schwab, der auch schon bei „Guillaume Tell“ am Staatstheater Regie geführt hatte. Er lässt das Ganze an einem Ort eines Unfallgeschehens in einem Straßentunnel spielen, der an Princess Diana’s Unfall erinnerte. Das Auto war quasi gegen die Wand gefahren. Aus dem umgestürzten Fahrzeug kriecht Don Carlos, um sich auf sein erstes Rendezvous zu freuen. Am Schluss, wenn er wieder im Auto ist, kommt er darin um, als es zu brennen anfängt. Die Bühne (Piero Vinciguerra) setzt sich in einen Tunnel fort, der an ein Schneckenhaus erinnert und den Tunnelblick suggeriert. Das Auto bleibt als Requisit während der ganzen Oper liegen, wenn später aus der Straße ein Kloster, ein Palast, ein Lustgarten wird oder der Platz der Hinrichtungen. Ganz am Anfang werden Stühle aufgestellt, die wie ein Spiegel des Zuschauerraums wirken, wohl um zu zeigen, dass wir alle mitten in diesem Geschehen sind. Die Kostüme und Requisiten changieren zwischen 4 Jahrhunderten: das moderne Auto, aber die Mäntel der Inquisitoren und Henker von damals, das 50er-Jahre-Kleid von Elisabeth und der nüchterne Bürolook des Königs mit weißem Oberhemd und einer Krone, die aus einem Dreikönigskuchen aus Lothringen stammen könnte.
Man muss diese Oper – in französischer Sprache – sehen, nein hören, denn die echte Dramaturgie dieser Inszenierung kommt aus dem Orchestergraben. „C’est ca“!
Erwin Altmeier says
Sehr bedauerlich und unverzeihlich, dass die großartige Leah Gordon in der Partie der Elisabeth unerwähnt bleibt. Wie konnte so etwas passieren?