Spangemacher, Der Dirigent Manuel Nawri © Janine Escher
Sie war von Anfang an ein wichtiges Sprungbrett für angehende Komponisten, die von Theo Brandmüller gegründete Komponistenwerkstatt, deren ‚spiritus rector‘ inzwischen der Saarbrücker Kompositionslehrer Arnulf Herrmann ist. Die Werkstatt sei eine sehr wertvolle Zusammenarbeit von Hochschule für Musik Saar und der Deutschen Radio Philharmonie, wie er findet. Junge Komponisten erarbeiten eine Woche lang mit dem Orchester ihre unaufgeführten Orchesterwerke und haben einen tiefen Einblick in die Orchestration, in die Klangmöglichkeiten des Orchesters und die Tongebung und Funktion jedes Instruments, wie die Komponisten und ihr Betreuer Herrmann betonten. Und sie erfahren, wie ihre Partituren sich im Konzert bewähren.
Diesmal hatte eine Jury aus den zahlreichen Bewerbungen sechs Stücke ausgesucht, die im Abschlusskonzert zur Uraufführung kamen. Die Komponistinnen und Komponisten stammen aus dem Kosovo, aus Kolumbien, China, Spanien, Korea und aus Deutschland. Sie traten an, den Theodore Gouvy-Preis zu gewinnen, den die Orchestermusiker während der Proben auswählten.
Jedes der Stücke durfte sich berechtigterweise Hoffnung machen. Auf Paul Klee bezog sich Suyeon Lee in ihrem Stück „Punkte und Linie“, das die graphischen Elemente Klees aufgriff, aber in einen Klang einbezog, der ein ums andere Mal an Charles Ives, an seine „Unanswered Question“ und an „Central Park in the Dark“ erinnerte. Mittendrin: ein schönes Schlagzeug-Intermezzo. Der ganz junge Spanier Manuel Hidalgo Navas komponierte „Soledad segunda“ auf ein Gedicht von Luis de Góngoras. Es war einerseits eine Studie über die Einsamkeit, andererseits zeigte Navas, dass Musik auch weh tun kann. Schon die Trommelschläge am Beginn wiesen in ihrer Unerbittlichkeit den Weg dieses später so klangvollen Stückes auf.
Die Chinesin Lingyi Dong schrieb ihr Stück „Fan“ auch nach einem Bild des chinesischen Künstlers Ma Yuan, das um das Jahr 1200 entstand und sich mit Wasser und Wellen auseinandersetzte. Diese Bewegungen übernahm Lingyi Dong in ihrem gelegentlich fast meditativ ablaufenden Stück. Die Wellenformen waren dabei bis ins Einzelne ausgearbeitet.
Carlos Alberto Càrdenas Gonzalez schrieb ein Orchester-Nocturne, das eine Gedichtzeile von Ocatavio Paz zum Orientierungspunkt nahm. Es ist ein schönes Stück, das beeindruckend mit Nähe und Ferne arbeitet, das schwebend, abgehoben und zugleich konkret wirkt. Dieses Stück hatte am Ende die Orchestermusiker überzeugt und sie haben Cardenas Gonzalez den Gouvy-Preis zugesprochen.
Es fehlt aber noch ein Stück des inzwischen renommierten Komponisten Adrian Halimi aus dem Kosovo, ein Liebeslied, das aus der Konstruktion mit Dreiecken entstand, was sich in der Musik, so unterschiedlich ihre Phänomenologie auch ist, auch irgendwie wiederfand. Das beste und zugleich das kürzeste Stück allerdings brachte Jakob Raab ein, „Vice“, ein Werk von ungeheurer klanglicher Konzentration, ein Stück von eine Stringenz, die die Dichte der kompositorischen Kraft jederzeit zeigte. Die ganze Historie der Musik schien durchzuklingen, von der Renaissance bis zur Musik des frühen 20. Jahrhunderts. Es war ein veritables Hörabenteuer. Raab interessiert sich inzwischen für die Mathematik ebenso sehr wie fürs Komponieren. Er sollte – so finde ich – unbedingt beim Musikschreiben bleiben.
Nicht zu vergessen: der ungeheure engagiert und dynamisch agierende Dirigent Manuel Nawri, der mit den Musikern der Deutschen Radio Philharmonie jedem Stück mit großem Interesse und Respekt begegnete und ein vorzüglicher Anwalt der jungen Komponisten war.
Friedrich Spangemacher