Preisträger Carl Rumstadt © Marco Piecuch
Die Leidenschaft ist unverkennbar. Carl Rumstadt ist im Gespräch so lebendig und präsent wie auf der Bühne. Der junge Bariton bleibt stets authentisch, ohne jemals zum Selbstdarsteller zu werden. Überzeugend schafft der Sänger den Spagat zwischen absoluter Hingabe an die Komposition und gestalterischer Selbstbehauptung. Fabelhaft singen kann er noch dazu. Gerade hat er beim 49. Bundeswettbewerb Gesang in Berlin den von der Walter Kaminsky-Stiftung finanzierten, gleichnamigen Preis für den besten Vortrag einer zeitgenössischen Komposition gewonnen. Seit der Spielzeit 2018/19 ist der Künstler am Theater Trier engagiert, wohin er vom Konzerttheater Bern kam. Als Don Giovanni hatte er sich in Trier eingeführt. Ein unbekümmerter Draufgänger, der mit seinem Kumpel Leporello um die Häuser zieht und bei den Damen für Aufruhr sorgt. Schon damals war klar, was sich seitdem in vielen Rollen bestätigte. Ob als Almaviva in „Figaros Hochzeit“, als Marcello in „La Bohème“ oder als Don Andres in Jacques Offenbachs Opéra buffa „La Périchole“: In Carl Rumstadts gestischem Gesang sind Körper und Stimme eins und veräußern hochberedt Geistes- und Seelenwelten. „Bewegung und Stimme müssen ganzheitlich Hand in Hand gehen“, sagt der Sänger.
Musik begleitet den 1992 in Stuttgart geborenen Sohn einer Opernsängerin und eines Dirigenten von Kindheit an. Die Entscheidung, das Singen zum Beruf zu machen, fiel bei einer Schulaufführung von Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“. Noch zur Schulzeit begann der Gymnasiast als Jungstudent sein Studium bei Siegfried Jerusalem in Nürnberg. Nach dem Abitur wechselte er nach München an die Hochschule für Musik und Theater zu Fenna Kügel-Seifried und schloss dort mit dem Diplom ab. Bereits im Studium konnte er als Gastsolist erste internationale Bühnenerfahrung sammeln. In Zeiten gnadenloser Selbstdarsteller ist der dunkelhaarige Künstler ein wohltuend unzeitgemäßer Gesprächspartner, wenn er über sein Rollenverständnis spricht. Die Demut vor dem Werk dürfe man nie aufgeben, sagt er, sich allerdings auch nicht von der Verantwortung lähmen lassen. Ein vollsinnlicher Reflektionsraum ist das Theater für den Mozart-Fan. Die Stimme sein Instrument, sich selbst und seinem Publikum die Welt zu erweitern, sie sich anzueignen und neue Kosmen zu schaffen. So im „Spannungsfeld zwischen Stimme, Orchester und Publikum“ zu agieren, bedeutet für den Künstler Antrieb wie Herausforderung. Das Gemeinschaftserlebnis ist ihm dabei wichtig. „Was der Sänger in seiner Rolle intellektuell und emotional erlebt und durchlebt, muss sich als Erlebnis auch auf das Publikum übertragen“. Um „Archetypen“, Tiefe und Essenz geht es dem Bariton. Das „Nichtbanale“ will er erfahrbar machen, um im Idealfall eine „kleine oder große Katharsis“ zu erreichen. Ein Ziel, das mit harter Arbeit einhergeht. Neben dem Partiturstudium liest der Sänger bei jeder neuen Rolle umfänglich Sekundärliteratur und übt stundenlang seine Partien am Klavier. Am Fach Bariton liebt er die Nähe zur menschlichen Stimme und ihre Fähigkeit, in die „Helligkeit wie in die Dunkelheit“ zu singen. Kunst und Künstler im Dienst kultureller Menschwerdung, eine Idee, die offensichtlich auch Carl Rumstadt antreibt: „Man will ja als Mensch mehr sein, als Stoffwechsel.“
Eva-Maria Reuther