Ein Blick in den Saal 1 des Thalia in Bous, einem Kino mit sehr treuen Fans © Thalia in Bous
Ein Kino zu betreiben, kann ein Traum sein – in diesen Zeiten aber ebenso ein Alptraum. Denn die Branche ist gebeutelt: Im ersten Halbjahr 2022 sind laut Filmförderanstalt (FFA) über 33 Millionen Karten in den deutschen Kinos verkauft worden – 20 Millionen weniger als zuletzt im gleichen Zeitraum vor Corona. Haben sich viele Menschen den Gang ins Kino während der ersten Zeit der Pandemie einfach abgewöhnt, zugunsten des Streamings zuhause? Sofa statt Kinositz, Bildschirm statt Leinwand? Um gegenzusteuern, hat die Kinobranche an einem Wochenende im September mit dem bundesweiten „Kinofest“ für sich geworben: fünf Euro Eintritt, auf allen Plätzen, für jeden Film. Die Aktion sollte ehemalige Kinofans, die bei niedrigen Preisen wieder die Magie des Kinos erleben konnten, langfristig zurückgewinnen.
Hoffentlich gelingt das den Filmtheatern, die doppelt betroffen sind: durch die Pandemie und durch die rasant steigenden Energiekosten. Hört man sich um, ob bei kommunalem Kino oder Multiplex, begegnet man großer Sorge. Ein Kino im Saarland hat schon schließen müssen – das Odeon in Merzig. Was den Kinobetreibern auffällt: Ältere Menschen, das Stammpublikum für Arthouse-Filme und -Kinos, kommen nur zögerlich zurück und warten lieber ab, wie sich die Corona-Situation entwickelt. Das hört man ebenso vom kleinen Kino Achteinhalb wie vom großen Cinestar in Saarbrücken. Jüngere Menschen haben da weniger Sorge und schauen sich vor allem die ganz großen Hits an wie zuletzt die „Top Gun“-Fortsetzung „Maverick“ und Superheldenfilme. Das trifft dann auch Filme der mittleren Produktionsschiene, deren Publikum schrumpft; langfristig leidet die Vielfalt der Filme.
Die steigenden Energiekosten sind die nächste Hiobsbotschaft. Michael Krane, Leiter der Camera Zwo in Saarbrücken, nennt Corona, Krieg, Inflation und Energiekrise „eine unheilige Allianz mit Blick auf einen völlig unkalkulierbaren Winter“. Was tun als Kinofreundin oder Kinofreund? Ganz einfach: ins Kino gehen. Und sich dort mindestens ein Getränk gönnen – denn davon und von den Snacks leben die Kinos vor allem. Es mag nun abgedroschen oder romantisierend klingen: Das Kino ist und bleibt ein magischer Ort. Wenn das Licht im Saal erlischt, wenn sich der Vorhang teilt wie einst das Rote Meer in „Die zehn Gebote“, ist das ein unvergleichlicher Moment der Verheißung. Den bieten ebenso kleine kommunale Kinos wie Multiplex-Häuser, städtische Arthouse-Kinos wie Traditionshäuser auf dem Land. Die kann man nur retten, indem man hingeht.
Tobias Keßler im OPUS Kulturmagazin Nr. 94 (Nov. / Dez. 2022)