Die neue MUDAM-Direktorin Bettina Steinbrügge © Marion Dessard, Mudam Luxembourg
Eine dennoch offene Festung für die Kunst wollte Ieoh Ming Pei errichten, als er das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (Mudam) in der historischen Festungsanlage von Luxemburg plante. Wehrhaft nach außen und licht im Innern steht der Bau nun am Fort Dräi Eechelen, stolz hinausleuchtend, mit seiner weithin sichtbaren Laterne. Ein schönes Bild, nicht nur, was die kulturpolitische Rolle des Museums für das Großherzogtum angeht. Es passt auch wunderbar zu Bettina Steinbrügges Diktum: „Die Kunst ist einer der letzten Orte der Freiheit“. Seit dem 1. April ist die bisherige Chefin des Kunstvereins Hamburg Generaldirektorin des Mudam. Über fehlende Vielfalt kann man sich beim Haus am Kirchberg wahrlich nicht beklagen. Steinbrügge ist die vierte Besetzung der Direktionsstelle seit das Museum 2006 eröffnet wurde. Sie folgt auf die Australierin Suzanne Cotter.
Mit der neuen Chefin übernimmt eine vielseitig erfahrene Fachfrau das Haus. Acht Jahre hat sie erfolgreich den Hamburger Kunstverein geleitet. Als Seniorkuratorin und Leiterin der Sammlung zeitgenössischer Kunst arbeitete sie in Wien am Belvedere. Zahlreiche internationale Ausstellungen moderner und Gegenwartskunst weisen ihre Handschrift als Kuratorin auf. Zudem besitzt sie Erfahrung als Hochschullehrerin. Seit sie im Mudam ihr Büro mit den eleganten, aber schlichten Designermöbeln bezogen hat, in dem die Form der Funktion folgt und nur das farbmächtige, stark gestische Gemälde an der Wand signalisiert, dass von der neuen Direktorin neben Rationalität auch emotionale Kraft zu erwarten ist, hat sie sich erstmal eingehend informiert, wo das Haus steht. Hat ihrem Team zugehört und sich mit ihm ausgetauscht. Change-Management – weiß sie schließlich – bedeutet immer einen neuen Blick auf die Programmation. „Ich entwickele meine Idee, wie ein Haus funktionieren kann und mein Programm immer aus seiner spezifischen Situation heraus“, sagt Steinbrügge. Das Mudam habe für Luxemburg nationale Relevanz, von ihm werde internationale und nationale Ausstrahlung erwartet. „Daran werden wir arbeiten“. Ganz selbstverständlich gehört für sie dazu, auch weiterhin international wie im Land selbst zu kooperieren. Seit 1989 sammelt das Mudam kontinuierlich. Das will die neue Direktorin fortsetzen. Inzwischen ist die Kollektion auf 760 Werke angewachsen. Eine Größenordnung, mit der man arbeiten kann, findet Steinbrügge. Auch künftig wird es unterschiedliche Sammlungspräsentationen geben, neben Sonderausstellungen als Einzel- oder Gruppenausstellung. Dabei sollen bekannte wie weniger bekannte Positionen zu sehen sein. „Ich will Vielfalt zeigen“, erklärt Bettina Steinbrügge. „Als Museum für zeitgenössische Kunst müssen wir zeigen, was es an internationaler Kunst gibt, und was gerade diskutiert wird.“
Weitergeführt werden soll das engagierte Bildungsprogramm des Hauses. „Wir wollen ja, dass die Kunst verstanden und weitergetragen wird.“ Intensivieren will die neue Direktorin die Forschungsarbeit, ebenso wie die Erarbeitung hauseigener Publikationen, beides bislang marginalisierte Bereiche. Auch das Archiv und die Bibliothek sollen stärker eingebunden werden. Begleitet und vom Mudam dargestellt werden soll weiterhin die Luxemburger Kunstszene. Wer mit Bettina Steinbrügge spricht, hat nicht nur eine Intellektuelle und kompetente Fachfrau zur Gesprächspartnerin, sondern fraglos auch eine Frau mit klaren Haltungen. Die bestimmen nicht zuletzt ihre Vorstellung vom Stellenwert der Kunst im gesellschaftlichen Diskurs. Den setzt sie, wie schon das Eingangszitat zeigt, hoch an. Für die Museumsdirektorin ist die Kunst ein wichtiger Bereich, um gesellschaftliche Fragen zu reflektieren. Denn: „Die Kunst ist ein Ort, an dem noch einigermaßen frei gedacht werden kann.“ Ein offener Treffpunkt und ein Diskussionsforum für die Vielfalt der Gesellschaft soll das Mudam sein. „Wir brauchen als Gesellschaft einen Ort, an dem wir zusammenkommen können, um Eindrücke zu teilen und über gesellschaftliche Fragen zu sprechen“, erklärt Steinbrügge. „Ich habe die Hoffnung, dass das Museum so ein Ort sein kann.“ Die zeitgenössische Kunst könne einen wichtigen Beitrag leisten, Phänomene und Verwerfungen der gegenwärtigen Kultur sichtbar zu machen und zu erklären. In Zeiten einer effizienzgesteuerten Leistungsgesellschaft hätten gerade Künstler die Möglichkeit, einen anderen Blick auf die Dinge zu werfen. Eine Einbahnstraße soll das museale gesellschaftliche Miteinander auf keinen Fall werden. „Wir müssen auch hinausgehen, den Menschen zuhören und überprüfen, ob man die richtigen Fragen stellt“, so die Mudam-Chefin. Freude solle der Umgang mit der Kunst dem Publikum machen. Qualität bleibt jedoch oberstes Gebot für Steinbrügge: „Wenn man nur nach dem Markt geht, erfüllt man seine Aufgabe nicht.“ Ein Etat von 8,9 Millionen Euro steht der Direktorin zur Verfügung. Als erste große eigene Ausstellung wird sie Ende 2023 eine eigens für das Museum produzierte Gruppenausstellung mit Begleitprogramm präsentieren. Hier wie im Übrigen gilt: „Dass Bilder Orte der Reflektion werden, das müssen wir wieder etablieren.“
Eva-Maria Reuther im OPUS Kulturmagazin Nr. 93 (Sept. / Okt. 2022)