Anny Hwang © Florian Thierer
Sie gilt als Ausnahme-Pianistin, konzertiert mit namhaften nationalen wie internationalen Orchestern und erhielt bereits in jungen Jahren zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien: Im Saarland hat Anny Hwang einen gewissen Star-Status erreicht. OPUS Autorin Tanja Block hat mir ihr gesprochen.
Wie bist du zum Klavier gekommen und was schätzt du daran besonders (im Vergleich zu anderen Instrumenten)?
Da meine Mutter Musikerin ist und eine eigene Musikschule leitet, durfte ich mich schon früh auf dem Klavier zuhause austoben. Darf ich allerdings etwas verraten? Mein erstes Instrument war gar nicht das Klavier. Viele wissen es gar nicht, aber das erste Instrument, das ich mit drei Jahren lernen durfte, war die Violine. Viele Jahre habe ich dieses schöne Instrument parallel zum Klavier gespielt und übte anfangs tatsächlich lieber auf diesem Melodie-Instrument. Leider stellte ich fest, dass mir das Instrument zu laut am linken Ohr wurde und ich spielte es nur noch neben dem Klavier bis zu meinem 20. Lebensjahr. Währenddessen lernte ich noch Gitarre, Flöte und weitere Instrumente… Was mich aber besonders am Klavier faszinierte, war die Möglichkeit viele Töne und Harmonien gleichzeitig hervorzubringen. Steht man mal ohne MitmusikerInnen auf der Bühne, imitiert man mit dem Klavier einfach verschiedene Instrumente und Klänge. Eine ganze Klangpalette mithilfe eines Instruments kreieren zu können und es ohne einen Verstärker in großen Konzertsälen zum Erklingen zu bringen, macht das Klavier ziemlich einzigartig.
Welche Stücke / Komponisten spielst du am liebsten und hat sich das im Laufe der Zeit verändert?
Ich bin da nicht so festgelegt und vergleiche es gerne mal mit Essen. Manchmal isst man lieber von der einen Küche und dann gibt es Phasen, in denen man mal gerne was anderes kostet. Intuitiv würde ich jetzt aber behaupten, dass mir die romantischen und impressionistischen Komponisten am natürlichsten liegen. Chopin, Ravel etc… Derzeit reise ich aber auch gerne von Sparte zu Sparte und habe auch Gershwin für mich entdeckt.
Wie hältst du die Balance zwischen Berlin und Saarbrücken und was bedeutet für dich vor diesem Hintergrund der Begriff „Heimat“?
Bekannterweise ist Berlin meine derzeitige „Wahlheimat“, aber nichtsdestotrotz schlägt mein Herz natürlich sehr für Saarbrücken – zumal dort meine liebe Familie und Herzensmenschen leben. Ich denke, dass ich es aufgrund meiner multikulturellen Herkunft etwas leichter habe mich an vielen Orten schnell heimisch zu fühlen. Johann Wolfgang von Goethe sagte doch so schön: “Es gibt zwei Dinge, die wir unseren Kindern mitgeben sollten: Wurzeln und Flügel.“ Wer Wurzeln hat, kann also auch fliegen. In meinem Fall gilt dies zur Belustigung nicht nur im Übertragenen Sinne, sondern: ich habe tatsächlich Flügel, nämlich Klavierflügel bei mir zuhause stehen!
Wie hast du die Zeit der Pandemie als Musikerin erlebt?
Wie für viele KünstlerInnen ist diese Zeit nicht so einfach. Anfangs habe ich den gewonnenen Zeitraum genutzt um verschiedene Dinge zu lernen, für die ich nie Zeit hatte, wie z.B. Hip-Hop-Dance mal auszuprobieren um die Musik und den Stil zu verstehen. Ich habe verschiedene Online-Seminare gegeben und auch diverse besucht. Mir hat der direkte Live-Austausch am Ende dann aber doch gefehlt und vielen wurde bewusst, was für eine wichtige Rolle die Kultur doch für das Wohlergehen der Menschen spielt. In Zusammenarbeit mit meinem Kontrabassist und Jazz-Koryphäe Greg Cohen habe ich in der Zeit neue Programme einstudiert und neue Arrangements geschrieben, mit der Absicht den Menschen neue Energie zu geben und die verschiedenen Künste miteinander zu verbinden – so wie wir hoffen die verschiedensten Menschen und Kulturen miteinander zu verbinden.
Der Austausch mit anderen MusikerInnen und auch Musikrichtungen ist dir ja ohnehin ein besonderes Anliegen. (Wie) Geht es mit deinem Projekt AnnyTime weiter? Kann man aktuell überhaupt schon wieder richtig planen?
Aufgrund der immer noch aktuellen Pandemie ist es schwer die AnnyTime derzeit strukturiert zu planen. Aus diesem Grund habe ich mich auch zu Coronazeiten weitergebildet in Bezug auf Videoaufnahmen und tobe mich derzeit etwas auf den sozialen Medien wie Instagram und YouTube aus. AnnyTime hat momentan auch einen eigenen Channel, der „AnnyTime TV“ heißt. Dort werden Kunstschaffende, im Gegensatz zur Konzertreihe, einzeln und länger interviewt und man hat die Gelegenheit einen Blick „Backstage“ zu erhaschen. Somit kann man die KünstlerInnen privater als sonst erleben. Ich kann es kaum erwarten bald wieder mit meinen renommierten und kreativen KollegenInnen und FreundenInnen live auf der Bühne stehen zu dürfen und Programme zu entwerfen!
Die Fragen stellte Tanja Block für das OPUS Kulturmagazin Nr. 91 (Mai / Juni 2022).