Ungleicher Kampf zwischen Künstler und Opportunist, grandios in Szene gesetzt von Bernd Geiling (Salieri, links) und Raimund Widra (Amadeus) im Großen Haus des Saarländischen Staatstheaters. Foto – Copyright: Martin Kaufhold (Saarländisches Staatstheater)
Am Ende stehende Ovationen. Nach 140 Minuten zahlt das Publikum im Großen Haus des Saarländischen Staatstheaters mit großem Enthusiasmus dem „Amadeus“-Ensemble mit gleicher Münze zurück: überbordender, nicht enden wollender Beifall, der vor allen Dingen zwei herausragenden Leistungen galt: Raimund Widras temperamentvoller Interpretation der Titelfigur und Bernd Geilings abgezirkeltem, berechnendem Spiel des Kontrahenten Salieri. Zwei wie Feuer und Wasser: der buchstäblich überschäumende Mozart, dessen musikalische Geniestreiche abprallen an dem heimtückischen Gegenspiel des künstlerisch maximal durchschnittlich begabten, dafür aber umso raffinierterem Möchte-Gern-Komponisten Salieri. Er läßt Mozart immer wieder vor die Wand laufen, ohne dass dieser das Ränkespiel Salieris auch nur im Einsatz durchschaut. Aus dem Tausendsassa, Charmebolzen und Frauenheld Amadeus, der beim sprühenden Liebesspiel auch schon mal die Hosen herunterlässt, wird mit zunehmender Spieldauer der verkannte, verarmte, verstoßene Musikus, der am Ende sein eigenes „Requiem“ komponiert. Daneben der unaufhaltsame Aufstieg Salieris, vom Kostümbildner Alexander Djurkov Hotter mit Leopardenfällen als Insignien der Macht „geadelt“: ein Strippenzieher, Machtmensch, Selbstinszenierer, der um das rechte Licht weiß, in das man sich zu setzen hat und der folgerichtig in Michael Schachermaiers kluger Inszenierung auch als Moderator des Abends auftreten darf.
Schachermaier zeichnet zunächst ein anfängliches Sittengemälde mit ausladend-prächtigen Rokoko-Kostümen um einen nicht minder aufgeblasenen Hofstaat Joseph II., Kaisers von Österreich (Gregor Trakis), mit dem einfältigen Personal um den Nationaloper-Direktor Graf Franz Orsini-Rosenberg (Ali Berber) und dem Nationalbibliotheks-Direktor Baron von Swieten (Michael Wischniowski). Sie machen sich über Mozarts Kompositionen „lustig“, die unterdessen – eingespielt von dem überragenden Trio um Jasmin Hubert (Cello), Lorenz Blaumer (Geige, Elektronik) und Rick-Henry Ginkel (Flügel, Celesta) – den Bühnenabend mit ihren Zitaten etwa aus der „Kleinen Nachtmusik“, aus „Figaros Hochzeit“ auch zum musikalischen Ereignis werden lassen. Nach der Pause verdichtet Schachermaier das Spektakel zum ebenso atemraubenden wie mitreißenden Zweikampf zwischen Mozart und Salieri. Tragik für den vom Leben schwer gezeichneten Mozart auf dem Sterbebett, das er von seinem bis heute ungebrochenen Weltruhm nichts mehr mitbekommen hat. Eines bleibt aber auch von Schachermaiers Inszenierung im Saarländischen Staatstheater, nämlich der Tipp, diesen Abend auf keinen Fall zu versäumen!
Burkhard Jellonnek