Ungefähr 60 Prozent der Kopenhagener fahren jeden Tag mit ihrem Fahrrad zur Arbeit oder zur Schule. Es ist das häufigste Verkehrsmittel und die schnellste Art, sich fortzubewegen © adfc-hh. Dirk Lau
Unsere Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten, ist ein schwieriger und langwieriger Prozess. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei schon jetzt die Mobilität ein. Doch noch immer haben wir hierzulande deutlich zu viel Kfz-Verkehr. Von 3,2 Mrd. Personenkilometern, die pro Tag in Deutschland von der gesamten Bevölkerung zurückgelegt werden, entfallen heute jeden Tag etwa 1,7 Mrd. Kilometer auf den Pkw. Daraus ergeben sich täglich 180.000 Tonnen an CO2-Emissionen. Gerade im Saarland spielt der motorisierte Individualverkehr (MIV) eine besonders große Rolle. Nach Bundesländern liegt das Saarland beim MIV deutlich an der Spitze: 71% nutzen hier als Hauptverkehrsmittel auf ihren Wegen den MIV, 8% den öffentlichen Nahverkehr, 2% das Fahrrad und 19% gehen zu Fuß. In Rheinland-Pfalz, das auf Platz 2 folgt, sind es zumindest nur 63%, die auf den MIV zurückgreifen. Wenig überraschend liegt das Saarland mit gerade einmal 2% Fahrradverkehr auf dem letzten Platz, davor Thüringen mit 6%.
Doch welche Faktoren beeinflussen die in ganz Deutschland recht hohe Verkehrsleistung beim MIV? Vereinfacht lässt sich sagen, dass der Grund hierfür in einem Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage besteht: Der Ausbau der Straßeninfrastruktur führte in der Vergangenheit zu einem erhöhten Verkehrsangebot, das wiederum eine erhöhte Nachfrage in Form von steigender Pkw-Nutzung nach sich zog. Begünstigt wurde dieses Zusammenspiel durch eine sich verändernde Raumstruktur, insbesondere bezogen auf die Wohn- und Arbeitsstandortwahl. Erst der Pkw machte dezentrale Wohn-, Arbeits- und Einkaufsstandorte möglich. Im Zuge dieser Entwicklung fanden durch die bessere Erreichbarkeit von Wohnort, Arbeit und Einkaufen Konzentrationsprozesse statt, wodurch der Bedarf nach Kfz-Verkehrsinfrastruktur wieder stieg. Eine Spirale, die sich immer weiter nach oben drehte.
Was muss geschehen?
Um die CO2-Emissionen zu verringern, benötigen wir eine Antriebs- und eine Mobilitätswende. Unter einer Antriebswende verstehe ich hierbei den technischen Beitrag zur CO2-Reduktion z. B. in Form einer Verminderung der fossilen Energieträger im Verkehrsbereich. Die Mobilitätswende bezieht sich dagegen auf den gesellschaftlichen und politischen Beitrag zur CO2-Reduktion und auf eine bessere Stadtverträglichkeit des Verkehrs. Hierbei geht es vor allem darum, durch bewussten Umgang CO2-Ausstoß zu vermeiden und die Attraktivität nachhaltiger Verkehrsformen wie das Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr zu fördern, etwa durch eine Anpassung der Subventionen. Trotz der negativen Wirkungen des MIV wird dieser heute noch stark subventioniert: Die Gesellschaft trägt kollektiv die Kosten der Pkw-Nutzung seiner Bürger und gibt einen großen Anteil dieser Kosten in Form von Klimarisiken auch an die nächste Generation weiter. Diese Subvention muss in Zukunft Schritt für Schritt reduziert werden, so dass der Pkw-Nutzer selbst die Kosten seines Handelns trägt.
Autonomes Fahren
In die Zukunft gesehen, liegt ein gewisses Potential für Mobilität im autonomen Fahren. Denkbar wären hier beispielsweise autonome Fahrzeugflotten, die sowohl als autonome Taxis wie auch als autonome Shuttles (für mehrere Personen) fungieren könnten. Diese Flotten wären effizient, wenn durch das Sharing-Prinzip nur noch wenige Fahrzeuge für eine große Menge potentiell zu befördernder Menschen benötigt würden. Obwohl die Entwicklung hier noch einige Jahre dauern wird, sollten wir uns bereits jetzt die Frage stellen, in welcher Form und in welchem Maße wir diese Automatisierung gesellschaftlich wollen.
Dass sich nachhaltige Verkehrskonzepte lohnen, belegen Städte wie Zürich, München, Kopenhagen oder Amsterdam, die eine überdurchschnittlich hohe Lebensqualität aufweisen und allesamt konsequent auf den Umweltverbund, d.h. vor allem auf Fußverkehr, Radverkehr, Öffentlicher Verkehr und Sharing-Systeme setzen.
Integriertes Radwegekonzept für die Städte
Auch in anderen Städten sollte es das Ziel sein, den Umweltverbund möglichst intensiv zu fördern. Dafür wird man knappe städtische Flächen konsequent umverteilen müssen: Etwa weniger Parkplätze und dafür mehr und breitere Rad- und Fußgängerwege. Auf diese Weise ließe sich der Radverkehr, der in der Stadt bei Strecken bis fünf Kilometer ohnehin häufig schneller als der Pkw-Verkehr ist, zügiger, sicherer und damit attraktiver gestalten. Um diesen Schritt sinnvoll zu gehen, braucht es in den Städten ein integriertes Gesamtkonzept für den Radverkehr, das auf eine gefahrfreie und attraktive Nutzung für Radfahrer und Fußgänger abzielt. Die Förderung des Radverkehrs ist dabei vielschichtig: Es geht nicht nur um Wegeinfrastruktur sonder auch um Abstellanlagen und Leihradsysteme.
Zukunftsprojekt Schienengebundener Verkehr
Die Bundesregierung wurde von den Kritikern ihres Klimakonzepts gescholten, dass dieses nicht ehrgeizig genug sei und hinsichtlich der CO2-Einsparung – von Abbau ganz zu schweigen – deutlich zu kurz greife. Was aber aufhorchen lässt, ist der Betrag von über 100 Milliarden Euro, der bis 2030 durch die Bundesrepublik für Investitionen in die Sanierung und den Ausbau der Bahn fließen soll. Das ist zweifelsohne ein wichtiger Schritt, weil sich ein ungehemmter Ausbau der Bundesstraßen und Autobahnen unter Vernachlässigung des Schienenverkehrs mit Blick auf die Umweltbelastung und das Klima als gefährlicher Irrweg herausgestellt hat. Hier ist eine konsequente und nachhaltige Wende dringend angesagt.
Als weitere Säule müsste der öffentliche Nahverkehr bis in die Wohngebiete hinein ausgebaut werden. Dazu bedarf es einer weiteren Milliardentranche an Bundesmitteln, um die Kommunen investitionsfähig zu machen.
Die Veränderungen unserer Mobilität hin zu mehr Nachhaltigkeit bleiben ein schwieriger und langwieriger Prozess. Dabei werden wir die Rolle des motorisierten Individualverkehrs in unserer Gesellschaft neu definieren müssen. Unsere politischen und gesellschaftlichen Ziele erfordern zügiges und konsequentes Handeln auf allen Ebenen. Es gilt neue Ideen zu denken und zu wagen, mutig zu sein und mutige Politik zu unterstützen. Nur so kann eine nachhaltige Verkehrswende gelingen.
Prof. Dr.-Ing. Wilko Manz im OPUS Kulturmagazin Nr. 79 (Mai / Juni) mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit