Kohlhaas © Astrid Karger
In heutigen Zeiten ist der „Kohlhaas“-Stoff gut gewählt. Wie Weiland der Pferdehändler Hans Kohlhaase kirre wurde an einer Entscheidung der Oberen und wutentbrannt seine Truppen sammelte und zum Sturm gegen die Mächtigen blies, so ist unsere heutige analoge wie digitale Welt voller Mitbürger, die – aus welcher Unzufriedenheit heraus auch immer – unserem Gesellschaftssystem die Gefolgschaft aufkündigen. Von daher passt Marcel Luxingers wahre Satire „Kohlhaas. Ein Mann für jede Krise“ wunderbar in das von Generalintendant Bodo Busse verkündete Macht-Ohnmacht-Spielzeitmotto am Saarländischen Staatstheater.
Bettina Bruiniers in der Alten Feuerwache präsentierte Uraufführung der Luxinger-Satire frei nach der Novelle von Heinrich von Kleist spielt vor dem historischen Hintergrund der durch den 30jährigen Krieg sich wandelnden Machtverhältnisse, macht aber durch seine sprachliche Verortung und die deutlichen Anspielungen auf gegenwärtig agierende Zeitgenossen der aufgewühlten politischen Landschaft keinen Hehl aus der Aktualität. Daraus bezieht der zweistündige Abend auch anfangs seine Überzeugungskraft. Kohlhaas, hat offenbar schon in den Genen, dass er „Löwe“ werden muss, profitiert in der überholten Welt der Adelsherrschaft vom Gestaltungswillen starker Frauen. So steigt er ob seiner zweifelsfreien rhetorischen Begabung und seinen Fähigkeiten, die Dinge zu vereinfachen, immer höher auf in den neu sich findenden Verhältnissen. Durchaus männlich unterleibsgesteuert, verstrickt er sich freilich nicht nur in Liebesdingen, sondern auch in den Herrschaftsbeziehungen in Widersprüchen, sammelt Feindschaften und landet am Ende auf dem Schafott.
Bis es dazu kommt, hat aber der Zuschauer schon „die Faxen dicke“. Wie bei einer Dauerwurst schneiden Luxinger / Bruinier immer eine weitere Episoden-Scheibe vom dicken Ende herunter. Nach der Investorin Katharina Eppstein, die man noch als Bereicherung des Abends gesehen hat, bedrängen dann der Mediziner Paracelsus, der Astrologe Nostradamus und die etwas weniger bedeutenden Karthografen Martin Waldseemüller und die junge Frau Elsy den politischen Emporkömmling Kohlhaas, um aus seiner Position ihren Nektar zu saugen. Die Geschichte wiederholt sich, freilich fehlt die satirische Überspitzung, da sich Buch und Regie nur in den Klamauk flüchten. Das anfangs griffige Konzept, den Kohlhaas, verkörpert durch den einmal mehr überzeugenden Fabian Gröver, mit fünf Schauspielerinnen in stets wechselnden Rollen zu konfrontieren, ermüdet auf Dauer, zumal nur Verena Bukal als Gattin Lisbeth und Christiane Motter als Zweitfrau Christina von Reul wirklich überzeugen können. Schade, ein stark beginnender Abend, der aber mit fortlaufender Spieldauer zunehmend sein Thema und damit auch seine Spannung verliert.
Burkhard Jellonnek