Peter Lewys Preston als Mickey Deans, Vasiliki Roussi als Judy Garland und Alexander Lutz als Anthony Chapman in dem Musical End of the Rainbow @ Foto: Rolf Ruppenthal
Joachim Arnold hat wieder einmal im Merziger Zirkuszelt mit seiner neuen Produktion, der Judy Garland-Show „End oft he Rainbow“ ein gutes Händchen bewiesen. Er riskierte das Wagnis, das tragische Schicksal, die letzten Lebensmonate des großen amerikanischen Showstars Judy Garland im Merziger Zeltpalast als Kammerspiel auf die Bühne zu bringen. Andreas Gergen (Regie und Bühne) inszeniert dieses Musical in gewohnt gekonnter Manier. Mit wenigen überzeugenden Bildern und sensibler Personenführung. Die Bühne ist klein und überschaubar. Gergen kommt mit wenigen Requisiten aus: einigen Kisten, die als Sitzgelegenheit dienen, in denen die Diva Ihre Klamotten verstaut und die nach Bedarf hin und her geschoben werden. Dazu ein Flügel, der erratisch und dominant den linken Teil der Bühne einnimmt. Alexander Lutz spielt den Pianisten, der als Judy Garlands musikalischer Begleiter Anthony Chapman mit Charme und sympathischem Understatement dem exzentrischen,meist am Rande des Nervenzusammenbruchs agierenden Star Judy Garland verständnisvoll, geradezu liebevoll zur Seite steht. Selbst schwierigste Situationen, wenn Judy abzustürzen droht, weiß er elegant zu retten. Er ist stets im Blickkontakt mit der souverän aufspielenden Band, die er mit sparsamen, signifikanten Gesten führt. Patrice Lerech (Trompete), Ferdinand von Seebach (Posaune), Damien Prud’homme (Sax und Flöte),Michal Beiersdorfer (Gitarre), Jochen Lauer (Bass) und Kevin Nasshan (Schlagzeug) interpretieren Peter Quilter’s schwungvolle Musik lustvoll und meisterhaft, schnörkellos und konsequent.
Diese Band ist zu Beginn des Musicals, das für dieses Genre außergewöhnlich viele „secchi“, also musikalisch unbegleitete Dialogpassagen bietet, gar nicht zu sehen. Sie wartet hinter einem Vorhang im Bühnenhintergrund auf ihren Einsatz, schwebt quasi in Richtung Rampe und wird nach Darbietung ihrer Musiknummern wieder hinter diesem Vorhang zurückbefördert. So bleibt auf der kleinen Bühne viel Raum für das ergreifende Kammerspiel der suchtkranken, aber immer noch lebenshungrigen Diva, deren neuer, junger Liebhaber und Verlobter Mickey ihr frischen Lebensmut zu geben scheint. Sie himmelt ihn an, macht alles für ihn. Sie findet fantasievolle Verstecke für die Drogen, ohne die sie nicht mehr auskommt. Oder sie reißt einfach aus, um sich Whisky in einer Bar zu besorgen. Mickey Deans wirkt zunächst empathisch und beschützend, ganz treusorgender Partner, verweigert Judy Alkohol und Drogen, mag sie noch so sehr betteln. Anthony Chapman dagegen durchschaut schaut den jungen Beau, den Peter Lewys Preston in seiner Zwiespältigkeit überzeugend in Szene setzt. Letztlich will er nichts anderes als Judy in Form zu halten für die Bühne. Letztlich ist er doch nur der unerbittliche Impresario, der möglichst viel Kohle scheffeln will; mitleidlos und zynisch treibt er Judy auf die Bühne, obwohl sie mit ihrer Kraft am Ende ist und immer wieder geradezu flehentlich darum bittet, die Show abzubrechen. Wenn es gar nicht mehr anders geht, lässt er die Maske fallen, reicht ihr die Whiskyflasche und stopft sie mit Drogen voll.
Vasiliki Roussi verkörpert diese Judy Garland in ihren letzten Lebensmonaten mit hinreißendem Verve, als gurrende Geliebte, aber immer häufiger auch als von der Sucht Ruinierte, die sich verzweifelt am Boden wälzt und einfach nur ihre Ruhe haben will. Roussis Performance ist von grandioser Intensität und stupender Wahrhaftigkeit. Da agiert eine große Schauspielerin, die auch als Sängerin alles gibt. Sie hat es bisweilen in den Höhen etwas schwer, sich gegenüber der kraftvollen Musik der Band zu behaupten. Das mag dem Lampenfieber des Premierenabends geschuldet sein. Vasiliki Roussi gibt die Judy Garland en grande dame, die aus der Begeisterung ihres Publikums immer wieder neue Kraft zu schöpfen scheint. Die Virtuosität, mit der sie ihre Songs über die Rampe bringt, ist bestrickend, ja geradezu atemberaubend, auch wenn sie ihre Bühnenauftritte nur noch mit Hilfe von Drogen und Alkohol schafft.
Joachim Arnold hat mit seinem kleinen Ensemble viel gewagt und viel gewonnen. Die Inszenierung ist ganz auf das mitreißende Spiel der drei Protagonisten konzentriert, auf kleinsten Raum, aber mit ungeheurer Wucht und Präsenz. Das ist kein funkelndes Massenspektakel, aber eine wunderbare Aufführung, die man lange im Gedächtnis bewahren wird.
Lang anhaltender Beifall und Bravo-Rufe des begeisterten Publikums.
Kurt Bohr