Endlich: nach der schmerzvollen Unterbrechung durch die Corona-Pandemie konnte am Saarländischen Staatstheater die zweite Oper aus Richard Wagners gigantischer Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ über die Bühne gehen. So war am Vorabend des Rosenmontags die Premiere von „Die Walküre“ zu erleben und hinterließ – am Beifall und an den Buh-Rufen gemessen – einen zwiespältigen Eindruck. Aber der Reihe nach: in der “Walküre“ verarbeitet Wagner im Textbuch das Treiben von Göttervater Wotan, der Menschen kreiert und dabei das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde erzeugt. Die beiden wissen zunächst voneinander nichts, lieben sich dann aber mit einer Inbrunst, die einem „Superlativ von Leid, Schmerz und Verzweiflung“ gleicht, so Wagner selbst. Im Zentrum dieses Spiels um Manipulation, Kontrolle und hemmungsloser Liebe steht Wotan, der nur ein Ziel verfolgt: Siegmund und Sieglinde sollen Wotans „Übermensch“ zeugen, nämlich Siegfried, der dann im Mittelpunkt der dritten Oper des „Rings“ steht. Das Regieduo Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka verlegt die gesamte Handlung nun in ein Genlabor des 21. Jahrhunderts. Das Publikum findet sich wieder in einem weißen Interieur mit Neonbeleuchtung, Kontrollmonitoren, Infusionsständern, Laptops und geheimnisvollen Seiträumen – eine auf den ersten Blick irritierende Verortung des gesamten Geschehens. Aber: wenn man Wagners Phantasiegeschichte, seinen Text („Hojotoho“), seine Gestalten, vor allem aber seine Musik bedenkt und mit dem synthetischen Inneren eines Labors für Genmanipulationen vergleicht, ist der Abstand so immens groß, dass es plötzlich wieder passt. Das Regieduo setzt nämlich darauf, „eine Welt von einer fürchterlichen, synthetischen Schönheit, eine Welt der totalen Perfektion zu zeigen, in der all die Schöpfungen Ebenbild des Schöpfers sind“. Im Ergebnis bedeutet dieser Ansatz, dass sich das Publikum in einem Kino wähnt und auf der großen Leinwand einen Sciencefiction- Film schaut, unterlegt mit Musik etwa von John Williams. Nur ist die Musik des genialen Sachsen Richard Wagner tief auslotend, symbolhaft andeutend, dem Handlungsstrang dienend – kurz: unübertreffbar. So war es sicherlich ein Volltreffer an diesem Abend, dass das gesamte Musikensemble über sich hinauswuchs: ein fabelhaftes Orchester mit samtenen Streichern, einem sonoren Blech (nie zu laut, immer dienend!) und mit Holzbläsern, die durch ihre Soli die vibrierende Liebesgeschichte zum Beben brachten – Dirigent Sébastian Rouland und sein Orchester waren in Premieren-Hochform. Frenetischen Schlussbeifall gab es auch für die Gesangspartien, deren Leistungen unzweifelhaft internationales Format hatten. „Standing ovations“ erhielten daher zu Recht für ihre Hauptrollen Peter Sonn (Siegmund), Viktorija Kaminskaite (Sieglinde), Thomas Johannes Mayer (Wotan), Brünhilde (Aile Asszony) und Judith Braun (Fricka). Und am Schluss dann Buhrufe und Pfiffe für das Regieduo Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka. Musik ist eben ein schönes, manchmal auch schweres Geschäft. Vor diesem Hintergrund sei empfohlen, einen Besuch dieser Oper nicht zu scheuen. Und wer die Brutto-Zeit von fünf Stunden Theater (davon dreieinhalb Stunden Musik) nicht fürchtet, dem bietet das Theater Karten an, die es ermöglichen, die drei Aufzüge an drei einzelnen Abenden zu verfolgen. Aber so „richtig Wagner“ wäre das nicht. – Thomas Krämer