Giacomo Puccini. Il Trittico, Schwester Angelica . lks Valda Wilson als Schwester Angelica und Doris Lamprecht als Tante © Foto Kaufhold
Premiere der Oper Il Trittico von Giacomo Puccini
Ein glanzvoller Opernabend im Saarländischen Staatstheater
Um es vorwegzunehmen: es war ein rundum gelungener Opernabend am Saarländischen Staatstheater. Auf dem Programm standen drei Operneinakter, die Giacomo Puccini unter den Begriff Trittico, zu Deutsch Triptychon, vereint hat. Der Begriff ist der Bildkunst entlehnt und entspricht häufig der dreiteiligen Altartafel, wie wir sie aus vielen katholischen Kirchen kennen.
Die erste Oper unter dem Titel „Der Mantel“ präsentiert ein Liebes- und Eifersuchtsdrama. Die Ehe des Schiffseigners Michele (gesanglich und schauspielerisch souverän dargestellt von Peter Schöne) und seiner Frau Giorgetta ist mit den Jahren in eine Krise geraten. Die Ehefrau (in jeder Hinsicht überzeugend Ingegjerd Bagøjen Moe) spielt in der Eröffnungsszene mit Kinderkleidern in Erinnerung an ihren verstorbenen Sprössling. Der Umgangston zwischen den Eheleuten ist mürrisch, offenbar von Verletzungen geprägt. Giogetta erliegt dem stürmischen Werben eines jungen Mitarbeiters, mit dem sie ein Stelldichein in den späten Abendstunden verabredet. Sie verspricht, ihm ein Zeichen mit einem brennenden Streichholz zu geben, wenn „die Luft rein“ sei. Es kommt aber alles anders. Der Ehemann ist abends zuerst an Deck und zündet sich eine Zigarette an. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Der junge Himmelsstürmer (vortrefflich mit seinem wundervollen Tenor Angelos Samartzis) trifft auf den eifersüchtigen Gatten, der das alles irgendwie geahnt hat und den jungen Liebhaber aus Rache umbringt. Als Giorgetta auf die Bühne kommt, lüftet der ergrimmte Ehemann seinen Mantel, den er über den Ermordeten geworfen hatte und zeigt den Toten. Seine Frau bricht mit einem gellenden Schrei zusammen.
Der zweite Einakter im ersten Teil des Opernabends trägt den Titel “Schwester Angelica“ und spielt im Kloster. Die Geschichte erzählt von dem unglücklichen Leben einer Ordensschwester (gesanglich und darstellerisch grandios und mit stürmischen Beifall bedacht, die berückende Valda Wilson), die wegen eines außerehelichen Kindes aus dem bürgerlichen Leben verbannt wurde und irgendwann von ihrer fürstlichen Tante besucht wird. Schwester Angelica bestürmt sie mit Fragen nach dem Wohlbefinden ihres Kindes, wird jedoch mit abwehrender Eiseskälte konfrontiert. Nachdem die Tante sie über den zwei Jahre zurückliegenden Tod ihres Kindes informiert, nimmt sie sich in tiefer Verzweiflung das Leben. Im Bewusstsein der Todsünde ihres Tuns bittet sie die heilige Jungfrau flehentlich um Vergebung.
Der letzte Einakter des Abends, Gianni Schicchi, die bekannteste und häufig auch mit einaktigen Opern anderer Komponisten zu einem Opernabend vereint wird, ist ein turbulentes Stück um betrogene Betrüger. Nach dem Tod von Buoso Donati trifft sich die gesamte Verwandtschaft am Totenbett. „Was werden wir erben?“, fragen sich alle. Fieberhafte Suche nach dem Testament, das schließlich gefunden wird. Riesenttäuschung: das gesamte Erbe soll an einen Mönchsorden gehen. Ohne Erbteil wird Rinuccio, (Jon Jurgens mit strahlend jugendlichem Tenor) die Zustimmung der Patriarchin Zita zur Heirat mit Lauretta, der Tochter des Aufsteigers Gianni Schicchi, nicht erlangen. Um einen Ausweg zu finden, überzeugt er mit viel List und Mühe seine Verwandten, den gewitzten Schicchi um Hilfe zu bitten. Als dieser hört, dass sich die Kunde vom Tod Buosos noch nicht verbreitet hat, erklärt er sich bereit zu helfen. Er schwört jedoch alle Versammelten wegen der Strafbarkeit dieses Verhalten auf strengstes Stillschweigen ein.
Das betrügerische Komplott scheint im Interesse der Verwandten aufzugehen. Schicchi legt sich im Schlafanzug ins Bett. Er weist mit dem Verstorbenen nachgeahmter Stimme die Visite des kurz danach eingetroffenen Arztes ab. Dem dann herbeigeholten Notar ein (neues) Testament diktiert, in dem alle Verwandten mit Bargeld und kleineren Erbteilen versorgt werden; den Hauptteil des Vermögens, das Wohnhaus des Verstorbenen, wo die ganze Handlung spielt, sowie eine Mühle samt Esel jedoch vermacht er zur Bestürzung aller „seinem ergebenen Freund“ Schicchi, also sich selbst. Die Empörung ist groß, aber die Verwandten kommen aus der selbst gestellten Falle nicht heraus und werden von Gianni Schicchi, dem neuen Hausherrn, aus dem Haus gejagt. Immerhin werden Loretta und Rinuccio als Paar glücklich vereint.
Nach den rauschhaft schönen Opern La Bohème, Tosca und Madama Butterfly ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit glanzvollen Arien und Duetten, die noch heute die Bühnen beherrschen, wandte sich Puccini – dem Zeitgeist folgend – musikalisch zunehmend der Moderne zu. Das wird in Trittico überdeutlich, wo er musikalisch zwar noch mit großen Gefühlen und Enttäuschungen brilliert und durchaus auch mit innigen Szenen wie etwa in „Schwester Angelica“ aufwarten kann. Aber abgesehen von der Ohrwurm-Arie der Lauretta (innig und unvergleichlich schön dargeboten von Ludmila Lokaichuk) verzichtet auf groẞe Arien. Bei diesen drei Einaktern war Puccini bestrebt, die große musikalische Tradition der Oper in die Moderne zu führen und brachte sein Werk 1918 in New York auf die Bühne.
Dass das Saarländische Staatstheater über ein exzellentes Gesangsensemble und einen superben Opern- und Kinderchor verfügt, konnte am Samstagabend eindrucksvoll erlebt werden. Generalintendant Bodo Busse und sein Leitungsteam verdienen für die Auswahl dieses Ensembles höchstes Lob.
In kleineren Rollen überzeugten Algirdas Drevinskas, Stefan Röttich, Barbara, Brückner, Carmen Seibel, Clara-Sofia Bertram, Bettina Maria Bauer, Hiroshi Matsuo, Max, Dollinger, Vadim Wolkow und Jinsoo Park.
Wie so oft in den letzten Jahren hat das Saarländische Staatsorchester unter der brillanten Stabführung von Sébastien Roulant eine echte Spitzenleistung erbracht, in allen Instrumentengruppen, mit feiner Differenziertheit und wunderbarem Klang.
Ebenso hohes Lob verdient auch die Inszenierung von Wolfgang Nägele, der nüchtern und präzise die unterschiedlichen Geschehnisse und Emotionen in Szene setzte und mit klarer Personenführung für ein transparentes und stets nachvollziehbares Bühnengeschehen sorgte.
Absolut stimmig dazu war das Bühnenbild, ohne Umschweife auf das Wesentliche konzentriert und in jeder Hinsicht überzeugend. Einzelne gestalterische Elemente wie das kleine Stuckbild im ersten Stück des Abends, fanden sich im zweiten Einakter wieder, wo ein vergleichbares Bild mit klaren Außenbegrenzungen die Situation der Abgeschlossenheit des Klosters symbolisierte. Und ebendieses Element diente dann als Deckenbild in Gianni Schicchi. Die Kostüme fügten sich ebenso stimmig in das Gesamtbild ein wie auch das glanzvolle Beleuchtungskonzept.
Das Publikum spendete lang anhaltenden begeisterten Beifall mit Standing Ovations.
Kurt Bohr