Foto: Frisch verliebt: Alexandre (Martin Geisen) und Mado (Marsha Zimmermann) // Copyright: Martin Kaufhold
Von Eva-Maria Reuther
Liebe gegen Politik: Ein Dauerbrenner der dramatischen Literatur von der Antike bis heute. Aber nicht nur die Liebe, gerade politische Themen haben bei jungen Autoren Saison. So beschäftigte sich der Stückemarkt der Berliner Festspiele im vorigen Jahr explizit mit politischem Bewusstsein und neuen Erzählformen. Auch die 1982 geborene Französin Salomé Lelouch setzt sich in ihrer Komödie „Politisch korrekt“ mit dem Konflikt auseinander, der aus der Wirrnis von politischer Gegnerschaft und emotionaler Zugehörigkeit entstehen kann. Das Stück der vielseitigen Autorin, die auch als Schauspielerin, Regisseurin, Produzentin und Mitbetreiberin eines Theaters arbeitet wurde 2016 in Paris uraufgeführt. Im Theater Trier inszenierte Intendant Manfred Langner jetzt die deutschsprachige Erstaufführung. Mit der Aufführung weihte das Theater seine neue Spielstätte in der örtlichen Europäischen Kunstakademie (EKA) ein. Die räumliche Verbindung von Bildender und darstellender Kunst ist schlüssig. Ist doch die Performance längst Teil der bildkünstlerischen Ausdrucksformen. Bereits in der vergangenen Spielzeit war das Tanztheater in der EKA zu Gast. Einmal mehr zeigte sich jetzt, wie gut sich die Atelierräume für Kammerspiele eignen. Wie im richtigen Leben geht es in Lelouchs Komödie zu. Die Liebe ist an allem schuld. Und die schert sich bekanntlich den Teufel um politische Korrektheit, nicht mal um Vernunft. Wie so oft spielt auch hier der Zufall mit: Die Lehrerin Mado, Migrantin aus Osteuropa und überzeugte Angehörige der französischen „Linken“ hat während der Präsidentschaftswahlen in einem Bistro ihr Handy vergessen. Sie verliebt sich in den Finder, einen junger Anwalt und karrierebewussten Aktivisten des „rechten“ Front National namens Alexandre. Eine fraglos explosive Konstellation. Der Sprengsatz funktioniert zuverlässig. Enttäuscht und ernüchtert verlässt Mado nach heftigen Wortgefechten um die politischen Überzeugungen den neu gewonnenen Geliebten. Sekundiert wird dem Paar von Alexandres Parteifreund, dem Blumenhändler Louis und Mados Freundin, der Ärztin und Marxistin Andrea. All das wird nach bewährter Kammerspiel-Dramaturgie in jenem Bistro (als Kellner: Paul Behrens) verhandelt, in dem man sich kennengelernt hatte und an dessen Wand im Fernsehen über die Wahlen berichtet wird. So weit so gut. Also eigentlich überhaupt nicht gut, was die Fähigkeit zur Überwindung von Gräben und zum gesellschaftlichen Diskurs angeht. Die Trierer Inszenierung, die im Deutschen etwas weniger elegant klingt, als ihr Urtext, hat fraglos ein paar starke Szenen. Die verdanken sich vor allem den beiden männlichen Hauptdarstellern und ihrem eindrücklichen Spiel. Klischeefrei ist Martin Geisen ein smarter junger Anwalt (Kostüme: Yvonne Wallitzer), dessen Ansichten weitgehend auch ins bürgerlich gemäßigte Lager passen. Als sein Freund Louis, ein idealistischer Hardliner, vermag Benjamin Schardt seiner Rolle Tiefe, Überzeugungskraft und Dynamik zu verleihen. Eine der besten Szenen: der erste Auftritt der beiden Freunde und ihre Diskussion über das Verhältnis von privater Neigung und parteipolitischer Pflicht. Dagegen bleiben die beiden Freundinnen blass. Marsha Zimmermann zeigt als Mado wenig Präsenz. Nadine Stöneberg ersetzt als Ärztin Andrea Tiefe durch hektische Betriebsamkeit. Leider verschenken Langner und sein Bühnenbildner Dietmar Teßmann die energetischen Möglichkeiten des Raums. Statt mit sparsamer Kulisse das Geviert der vier Säulen als spannungsreiches Kraftfeld zu nutzen, in dem die Gegensätze aufeinander prallen, verstellt Teßmann den Raum mit einer hochillustrativen Bistro-Möblierung, zwischen deren Stühlen und Tischen sich die Dramatik im Wortsinn verläuft und dessen brave Ästhetik den existentiellen Kampf entschärft. Für eine 37jährige Autorin ist das Stück auffallend harmlos, inhaltlich wie im Narrativ. Entschieden zu melodramatisch ist das Ende als Mix aus politischer Dystopie und privater Utopie geraten. Frankreich ist eine Militärdiktatur. Als hoher Offizier liest Alexandre einen Brief, der ihm mitteilt, dass er mit der verstorbenen Mado eine gemeinsame Tochter hat. Na dann. Über die eigentlichen Ursachen des aktuellen Konflikts zwischen „rechts“ und „links“ im französischen Nachbarland, das führende Soziologen für das konservativste in Europa halten erfährt man hier nichts. Eher regt das Stück an, darüber nachzudenken, dass die Sache mit gut und böse nicht so einfach ist, wie es scheinen mag.
Weitere Termine: 14.,15.,23.2.,13.3., jeweils 19.30 Uhr, Europäische Kunstakademie Trier
https://theater-trier.de/