Bildnachweis: Versuchsanordnung männlich I, 2021, Linolschnitt © Bettina van Haaren
(red.) Im Februar ist Künstlerin Bettina van Haaren zu Gast in Trier: Ihre Ausstellung „Fadenbrüche“ in der Galerie Palais Walderdorff wird am Freitag, 11. Februar 2022, zwischen 18 und 21 Uhr, eröffnet. Gezeigt werden Linolschnitte der letzten vier Jahre, besonders aus dem vergangenen Jahr.
Zur Ausstellung liegt das 88-seitige Buch „Alfred Gulden und Bettina van Haaren, Pappelschnee und Fadenbrüche, Gedichte und Linolschnitte“ vor, mit 22 Abbildungen und Ausschnitten des intensiven künstlerischen Austausches in Briefen (Edition Marehalm). Christoph Napp-Zinn führt in die Ausstellung ein. Alfred Gulden trägt Gedichte vor. Zudem liest er gemeinsam mit Bettina van Haaren einige Passagen aus dem Briefwechsel im Buch.
Die Ausstellung kann bis 19. März besucht werden. Es gelten die jeweils aktuellen Corona-Regeln.
Über das Werk
In einem persönlichen Schreiben an Bettina van Haaren beschreibt Beatrix Rey, Künstlerin und Autorin aus Heilbronn, die neuen Arbeiten:
„Ich sehe, dass Du weiter an dem Thema dran bist, eine Figur (und deren Geste) aus vielen kleinen Figuren oder Figur-Bruchstücken aufzubauen, was Dir immer wieder sehr überzeugend mit großer Selbstverständlichkeit (wie auch in den Aquarellen) gelingt. Durch diesen Strom der kleinen Figuren werden die Linolschnitte vielschichtiger, feiner, bewegter und kommen näher an Deine detailreichen großen Malereien ran. Die großen Haupt-Figuren scheinen in meinen Augen manchmal geradezu befallen von dieser Art Heuschreckenschwarm aus kleinen schwärmenden Figuren, wie über den Körper krabbelnde Insekten oder sich ausbreitende Ekzeme, die die verschiedenen Seiten des Selbst der Figur zeigen: angedeutete, vorbeiziehende und sich wieder auflösende, schwer zu fassende, bewegte Narrative aus deren Leben, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die kleinen Figuren können aber auch viel harmloser wie herabfallende Tropfen, Tücher oder Kleidungsstücke wirken, eine Art zweite Haut oder moderner Faltenwurf, der die Haupt-Figur zugleich zeigt und verbirgt. Außerdem hat die große Figur auf mich immer eine mehr analoge Wirkung, während die kleinen bruchstückhaften Figuren eher wie digitale Kontakte, flüchtiger und weniger körperhaft wirken. Wie immer bei Dir, sind die Leerstellen dabei ganz wesentlich für die enorm ernsthafte künstlerische Gesamtwirkung.
Daneben fällt mir in „Versuchsanordnung männlich“ [siehe oben] eine deutlichere sexuelle Thematik auf, als ich das bisher von Dir kenne. Auch wenn Deine Figuren meist nackt sind, wirken sie nicht sexuell (erregt). Bei der „Versuchsanordnung männlich“ fällt hingegen auf den ersten Blick das erigierte männliche Geschlecht in penetranter Wurstform auf, und im Kleinen finde ich etliche weitere männliche Geschlechtsteile in verschiedenen Situationen und Formen sowie manche sexuelle Begegnungen zwischen Mann und Frau, auch ein Auseinanderreißen und Zusammenführen von Beinen und so einige verstreute Totenköpfe in direkter Nachbarschaft.
Es bleibt niemandem erspart, die unangenehmen Gefühle auszuhalten, die hochkommen, wenn die Inhaltlichkeit der Bilder verwirrt, keinen Halt bietet, man sich als Voyeur ertappt fühlt oder sogar eigene metoo-Erinnerungen als Täter oder Opfer hochkommen. Wohltuend dabei ist Deine erfahrene künstlerische Sprache, die die Spannung der Thematik fassen kann und aushalten lässt.“
Bettina van Haaren antwortet darauf: „Ja, die deutlicher Sexualität ist mir bewusst. Sie ist schon in den beiden letzten Bildern von 2019 und 2020 enthalten, eher als Zwang zum Beineöffnen, wie für eine Beschneidung oder wie bei vielen metoo-Berichten. Ich häng Dir das Bild „Marien und Motten“ [siehe links] mal an. Und dann beschäftigt mich ja schon sehr lange das Hermaphroditische oder der Versuch, der Test, ein Mann zu sein, so ab 2007.“