Möllerei © Beiler Francois Fritsch, Le Fonds Belval
In der Möllerei, der ehemaligen Hochofenanlage aus dem frühen 20. Jahrhundert, wird Kunst als Plattform für eine Diskussion über heutige gesellschaftliche Fragen inszeniert. Zu diesem Zweck wurde der frühere Erz- und Koksbunker, eine 170 Meter lange Industriehalle aus dem Jahre 1912, von dem Luxemburger Architekturbüro Beiler François Fritsch eigens als Ausstellungsort für digitale Kunst restauriert. Es ist das Herzstück der europäischen Kulturhauptstadt Esch 2022.
Unter dem Motto „From Red Earth to Grey Matter“ – was so viel heißt wie „Von der Schlacke zu den kleinen grauen Zellen“ – wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe, dem Basler Haus der elektronischen Künste (HEK) und dem Festival für Medienkunst Ars Electronica Linz ein Konzept erarbeitet, das im Februar 2022 mit Ausstellungen und einer Veranstaltungsreihe umgesetzt wird. Die Ausstellungen werden das ganze Jahr über in der Möllerei in Esch-Belval zu sehen sein, also an jenem historischen Ort, zu dem die Rohmaterialien für die Eisen- und Stahlgewinnung transportiert und dort zur Produktion aufbereitet wurden.
Rund 70 Künstler sind eingeladen, sich kreativ mit den verschiedenen Prozessen der der industriellen Produktion, aber auch der wissenschaftlichen Forschung einzubringen. Die in enger Zusammenarbeit mit Laura Welzenbach und Martin Honzik von Ars Electronica konzipierte Ausstellung zielt auf innovative, nachhaltige und ethische Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer Zeit: „Es geht um die Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die sich nicht mehr viel Zeit geben sollte, darüber nachzudenken, ob man handelt oder nicht.”
Die ausgestellten Kunstwerke sollen in Dialog treten mit der aufgelassenen Industrieanlage, ihrer hundertjährigen Geschichte und Perspektiven eröffnen für die Zukunft. Vielleicht gelingt ja so etwas wie einem New Digital Deal als Brücke von der Schwerindustrie in die digitale Gegenwart.
Industrie-Romantik in Gefahr?
Das neu zu entwickelnde Narrativ soll das Potential einer Zukunftsvision besitzen, mit der sich die Bevölkerung identifizieren kann. Eine interessante Kehrtwendung in einer Region, deren Bezug zur Vergangenheit noch stark von den Ansätzen der Industriearchäologie bestimmt wird, sich heutzutage noch mehrheitlich in der Erhaltung und gegenständlichen Überlieferung industrieller Denkmale dekliniert und sich in geselliger Steampunk-Nostalgie äußert. Ob der Sprung von der bergbau- und stahlindustriellen Tradition in die vierte industrielle Revolution der Digitalisierung gelingt? Die Zukunft ist offen.
Stefanie Zutter