Max Dollinger, Pauliina Linnosaari und Liudmila Lokaichuk v.l © Martin Kaufhold
Es ist ein Theater der Fülle, ein Theater der Leidenschaft, ein Theater der Farben, ein Fest der Stimmen, ein Theater, das Mythologie und Psychologie verbindet, es geht um Theater im Theater… und das ist ganz wörtlich zu nehmen. In Richard Strauss „Ariadne auf Naxos“ wird ein Operndrama um Ariadne geprobt, das durch das Lustspiel „Zerbinetta und ihre Liebhaber“ ergänzt werden soll. Diese Strauss-Oper eröffnete die neue Spielzeit am Saarländischen Staatstheater, riss die Zuschauer mit und war eine gelungene Ouvertüre zur neuen Saison.
Regie, Bühnenbild und Kostüme waren bei Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka in besten Händen.
Das beginnt mit dem Vorspiel und dem Monolog des Intendanten (Hartmut Volle), der zur Situation des öffentlichen Theaters Textauszüge von Aristoteles und Dürrenmatt, von Schiller bis Streeruwitz zitiert. Er sieht sich alsbald dem Druck einer Poltikerin (Andrea Wolf) ausgesetzt, die ihn dazu bringt, aus Kostengründen zwei Stücke – Tragödie und Komödie – simultan zu spielen, was natürlich den heftigen Protest des Komponisten auslöst.
Das Spiel auf der Bühne, die sich bis in die Garderoben hin öffnet, ist energisch und voller Dynamik. Das Orchester ist auf der Hinterbühne platziert, davor die nebeneinandergestellten Bühnenräume, der traditionelle für die Geschichte der Ariadne und der schrillbunte für die quirlige Zerbinetta. Räume, durch die die Handlungsfäden quer laufen und mäandern. Man bekommt einen Einblick in den Backstage-Bereich des Theaters, aber gleichzeitig auch in die seelischen Erschütterungen und Konflikte der Personen auf der Bühne. Theater und Wirklichkeit treffen hier aufeinander, wie die so unterschiedlichen Existenzen der beiden Protagonistinnen: Ariadne, enttäuscht vom Leben, depressiv, von der Liebe verraten, die ihre reine und wahre Existenz nur noch im Tod sieht und sich sogar in einer Mülltonne versteckt. Daneben steht Zerbinetta, die ihre Liebhaber im Schlepptau hat. Sie fordert Ariadne auf, einfach eine neue Liebe zu suchen. Liudmila Lokaichuk als Zerbinetta begeisterte das Publikum mit ihrer hinreißenden Arie „Grossmächtige Prinzessin“, einer der längsten Koloratur-Arien der Opernliteratur. Als Lokaichuk diese Rolle vor zwei Jahren in Halle sang, schrieb der Tagesspiegel: „ .. die Sopranistin Liudmila Lokaichuk in der Mount-Everest-Rolle der Zerbinetta ist phänomenal.“ Das war sie auch in Saarbrücken. Pauliina Linnosaari als Ariadne war ebenso grandios mit beeindruckender Bühnenpräsenz im phänomenalen langen roten Kleid. Wunderbar und gesanglich perfekt vermittelt sie in ergreifender Weise ihre tief empfundene Todessehnsucht.
Fast alle großen Stimmen des Staatstheaters waren auf der Bühne. Ein All-Star-Ensemble könnte man sagen. Schwer beeindruckend Angelos Samartzis als Bacchus, der Ariadne erlöst. Auch Sung Min Song, Algirdas Drevinskas, Markus Jaursch agieren komödiantisch überzeugend, während der Bühnenschlitten – ein glänzender Einfall des Regie-Teams – zwischen klassischer Opernwelt und spritziger Unterhaltung unterwegs ist. In der Entourage von Zerbinetta glänzten im sängerischen Terzett mit spannungsreicher Dichte auch die drei Nymphen, gespielt von Valda Wilson, Bettina Maria Bauer und Melissa Zgouridi in tantenhaten Kostümen und mit schwarzen Handtaschen.
Schließlich das Orchester, das sich anfangs klanglich noch finden musste, wenn alle Regungen der Bühenhandlung im Orchestersatz eingewoben sind. Justus Thorau am Pult gelang die Reise durch diese Partitur, in der die Stimmen weit mehr als bei anderen Opern im Gesamtklang verschmelzen, im weiteren Verlauf zunehmend besser. Und wenn Ariadne am Schuss allein auf der Bühne über ihr Schicksal klagt, dann hat der Orchetserklang die Perfektion, auch die Wärme, die diese Musik braucht. Es war ein großes Theater der Leidenschaft, das das Publikum mitriss.
Friedrich Spangemacher