Pascal Dusapin © Marthe Lemelle
Wie ein Gang durchs Hochgebirge, über steile Pfade an Klüften vorbei, ein Weg der Gefahren, aber auch der unglaublichen, manchmal unwirklichen schönen Erfahrung, ein Weg der Mühe und der Befreiung: das ist Pascal Dusapins Geigenkonzert mit dem schönen deutschen Titel „Aufgang“. Der Solist führt zunächst in fast unhörbare Höhen, weg aus dem Irdischen, um dann die irrende Seele eines Menschen auszuleuchten, nein auszuleben, Trauer, Wut, Verzweiflung, immer wieder in die Exaltiertheit des ausufernden Spiels, eine Musik, der die Anstrengung und zugeich die Genugtuung anzuhören ist. Und wenn Milan Pala, der Solist, in diese teils labyrinthische, teils bedrückende, teils auch befreiende Welt eintaucht, dann ist sein Körper, sein Gesicht, seine ganze Haltung in jedem Moment dieses Stückes voll präsent; ein berührendes Schauspiel und ein unbedingtes Umsetzen dieser Partitur von Dusapin. Das spärlich eingesetzte Orchester ist eher weite Landschaft, vor der sich dieser Teufelstanz abspielt. Kleine Episoden der Begegnung, etwa mit der Geige des Konzertmeisers oder der Trompete, sowie zaghaftes Gemeinsames mit der Harfe, blieben die einzigen Passagen des offenen Dialogs. Und doch profitierte das Orchester in seiner Substanz sehr von den Linien des Solisten. „Aufgang“ war ein Erlebnis…Dazu kam die Eröffnung des Konzerts mit Dusapins kurzem Orchesterstück „Go“.
Dusapin, zur Zeit „Artist in Focus“ beim Saarländischen Staatstheater, ist eine besondere Figur, eine besondere Prersönlichkeit in der zeitgenössischen Musik. Keine Kompositionslehre im hergebrachten Sinn interessiert ihn, wohl aber die richtigen Proportionen, sinnstiftende Verlaufskurven, und über allem: der Klang, den er aus seinem Inneren schafft. Man denkt gelegentlich an Johannes Kreisler bei E.T.A. Hoffmann, während dieses Stück vor dem inneren Auge und Ohr abläuft. Pascal Dusapin hatte mit diesem Konzert einen mächtigen Auftriftt in Saarbrücken. Auf das Highlight seiner Saarbrücker Zeit darf man sich im Februar freuen, wenn seine Oper „Macbeth Underworld“ hier ihre deutche Erstauffühurng finden wird – Macbeth’s Geschichte aus der Sicht der verstorbenen Protagonisten Shakespeares, eine Oper, die an der Brüsseler „Monnaie“ im letzten Jahr für Aufsehen gesorgt hat.
Es war Edgard Varèses „Arcana“, die Dusapins Welt verändert hat. Als er das Stück erstmals hörte, schlug es bei ihm ein wie eine Bombe. So wollte er komponieren, diesen Weg wollte er einschlagen. Varèse war schon gestorben, aber in Iannis Xenakis, einem Kopf von ähnlicher Geisteshaltung, fand er seinen ‚Master‘. Komposition hat er nicht studiert bei ihm, aber Ästhetik und Kunstphilosophie. Das Komponieren erlernte er nie bei einem Lehrer, er fand seinen Weg aus seinem Inneren, aus seiner eigenen Ideenwelt, oft entwickelt aus ganz einfachen Materialien. Geschichten wolle er erzählen, Diskurse vorstellen. Und das gelingt ihm in jedem Stück, in seiner eigenen, so plastischen Sprache. Sein Macbeth wird das Saarbrücker Publikum begeistern.
Friedrich Spangemacher