Herbert Schuch // Copyright: Felix Broede
Wandererfantasie und die „Unvollendete“ vollendet
Ein Schubert-Konzert der Deutschen Radio Philharmonie
von Friedrich Spangemacher
Zwei beeindruckende klassische Konzert im Abstand von 15 Stunden in der Saarbrücker Congresshalle: zunächst das Landes- Jugend Symphonieorchester des Saarlandes mit Werken von Carl Maria von Weber, Wolfgang Amadeus Mozart Johannes und Brahms, gut gespielt nach einer Tornee durch die baltischen Staaten und mit überzeugendem klanglichen Ergebnis des Teenager-Orchesters. Am Pult Vilmantas Kaliunas, der Solo-Oboist der Deutschen Radio Phihamonie, der längst eine Dirigentenkarriere aufgebaut hat. Er brachte den erst 16jährigen litauischen Solisten Pijus Paškevi?ius mit, der Mozarts Oboenkonzert vorzüglich spielte, ganz transparent musiziert zusammen mit dem kleinen Orchester, das dabei im Stehen spielte.
In der Konzertmatinee am nächsten Tag spielte die Deutsche Radio Philharmonie ein Schubert-Programm. Die Orchestermusiker waren mit Leib und Seele in diese Musik eingebunden, und sie begeisterten die Zuhörer in jedem Moment. Mario Venzago, selbst Experte in Schubert-Fragen, stand am Pult und entwickelte einen herrlichen schubert’schen Streicherton und gab vor allem den Holzbläsern ihren angemessenen Raum. Das Konzert begann mit der sehr selten zu hörenden Ouvertüre zum Singspiel „Die Freunde von Salamanca“. Es folgte die „Wandererfantasie“ in der Orchester-Bearbeitung von Franz Liszt, ein Werk das großen Eindruck hinterließ. Das lag auch und vor allem am Solisten, Herbert Schuch am Klavier, der ganz ohne Lisztsche Mätzchen die Größe dieses Konzerts herausstellte und mit unglaublicher Perfektion und Souveränität an das Werk heranging. Bewundernswert der hohe Verschmelzungsgrad mit dem Orchester, wobei trotzdem genug Raum für die virtuosen Teile blieb: ein besonderes Erlebnis. Das Konzert ging zu Ende mit Schuberts „Unvollendeter“ in der vollendeten Fassung von Venzago selbst. Auffallend die besondere Interpretation vor allem des ersten Satzes, der – so Venzago „meist immer noch im gleichen langsamen Grundtempo aufgeführt wird, um ihm einen anrührenden Trauerduktus zu verleihen.“ Ganz anders bei ihm. Er betonte den Aufbruchsgeist dieser Musik und die Audrucksstärke jenseits der üblichen Ansätze. Über die hinzugefügten Sätze, die ich erstmals in einem Konzert erlebte, lässt sich streiten. Das aufgefundene Szizzenmaterial zu einem möglichen dritten Satz hätte noch mehr Seitengedanken gebraucht und das Trio im Ländlerton wirkte angesichts der ersten beiden so gewichtigen Sätze etwas harmlos. Der Finalsatz gab sich wie ein neues ouvertürenhaftes Werk – das Venzago packend auslegte. Doch die Saarbrücker waren begeistert von diesem Stück und insgesamt von einem hochklassischen Konzert, das Schubert auf vielfältige Weise feierte. Auch der Dirigierstil Venzanos war beeindruckend: sein Dirigierpult nutzte er in Gänze aus, sprach alle Musiker direkt an, und einmal hatte man sogar das Gefühl, er dirigiere das Publikum. Hochzufrieden dankte er dem ganzen Orchester.