Bild: Mirco Kanthak, Videostill „Umkehren“, 11 min 40., 2021 © Mirco Kanthak
Seit Beginn 2021 ist die Redaktion des OPUS Kulturmagazins in neue Räumlichkeiten in der Saarbrücker Stengelstraße umgezogen. Die neuen, hellen Räume liegen ebenerdig und öffnen sich mit einer großen, meist mit Folie beklebten Fensterfront zur belebten Innenstadtstraße hin. Seit dem Umzug ist die Redaktion nur 350 Meter von der Hochschule der Bildenden Künste Saar, der HBK, entfernt. Da lag die Idee nahe, eine Kooperation von Kulturmagazin und Kunsthochschule einzugehen und
eine der Fensterflächen mit einer Projektion von Studierenden der HBK zu bespielen.
Ansprechpartner für dieses neue Projekt an der HBK ist Eric Lanz, Professor für Video und künstlerische Fotografie. „Ich habe mit meinen Studierenden darüber gesprochen und schnell gab es positive Resonanzen auf deren Seite. Sie wollen gerne ausgesuchte Videoarbeiten in einer Projektion am OPUS-Schaufenster zeigen“, berichtet der Kunstprofessor. „Wir haben uns das Wort ‚Tempus‘ als Titel für die Reihe überlegt, da es eine Brücke zu ‚Opus‘ schlägt, aber auch das Temporäre mit in
sich trägt“, fährt er fort. Seit Mitte Juni werden nun jeweils für vier Wochen Videoarbeiten von verschiedenen Studierenden gezeigt, die wie in einem Schaufenster von außen betrachtet werden können, und die die Kunstwerke der jungen Kunstschaffenden in die Öffentlichkeit tragen. Sie sollen die Neugierde der Passanten wecken und die Öffentlichkeit auf Kunst, Kunsthochschule und zuletzt auch auf das OPUS Kulturmagazin aufmerksam machen. Und ganz nebenbei wird damit auch der Saarbrücker Innenstadtraum um einen wenn auch kleinen, aber permanenten Kunstraum reicher.
Den Anfang der „Tempus“-Projektionen macht Mirco Kanthak. Er studiert Freie Kunst auf Diplom im 8. Semester und befasste sich im letzten Jahr in einer Performance mit „umkehren“. Das Wort kehren darf man dabei wörtlich nehmen, denn in der Videosequenz, die in Endlosschleife gezeigt wird, sieht man den jungen Künstler, wie er mit einem großen Besen in einem sonst leeren Saal Erde auf dem Boden zusammenkehrt. Allerdings verteilt er dabei die Erde mehr, als dass er sie zusammenräumt. Und als Clou läuft die Aufzeichnung rückwärts. So wird das Kehren funktionslos, es erhält eher die Anmutung eines meditativen Tanzes, gepaart mit der Frage nach dem Sinn und der Vergeblichkeit.
Im August wird Ivan Lawalestra mit einem kurzen Video die Betrachter verblüffen. Denn er hat seinen Blick von außen in ein Restaurant gefilmt, zeigt dabei Gäste an einem Fenstertisch, die sich sichtbar gestört fühlen. Etwas provokant spielt der Media Art Design-Student dabei mit Halböffentlichkeit eines frei sichtbaren Fensterplatzes und der Privatsphäre der Gäste des Restaurants. Entsprechende Reaktionen der Gäste, aber auch der Angestellten, bleiben nicht aus. Obwohl das Video nur anderthalb Minuten andauert, weckt es gleichzeitig Neugierde, Faszination, aber auch Unbehagen.
Auch weitere Studierende stehen für die nächsten Monate der „Tempus“-Projektion bereit. Iryna Yeroshko, die im 2. Semester den Masterstudiengang Kuratieren studiert, zeigt die Aufnahmen einer Bekannten von ihr, die in der Ukraine vor dem Angriff russischer Truppen flieht. Angst, Stress, Nervosität – all das ist in ihrem Gesicht abzulesen. Ein Video, das zweifellos unter die Haut geht und zeigt, wie vielfältig die Arbeiten der Studierenden sind. Passanten am Redaktionsbüro von OPUS Kulturmagazin haben nun die Möglichkeit, sie ganz einfach und unverbindlich kennenzulernen.
Nicole Baronsky-Ottman im OPUS Kulturmagazin Nr. 92 (Juli / August 2022)
Die Projektionen sind täglich von 20 bis 24 Uhr an der Ecke Stengelstr. / Eisenbahnstr. in 66117 Saarbrücken zu sehen.