Armin Petras kam, sah und siegte
„Antigone“ begeistert in einer das Gestern ins Heute übertragenden Neufassung des Regiegastes
© Martin Sigmund
Spannung zum Saisonstart am Saarländischen Staatstheater: Zur Abschiedssaison von Generalintendant Bodo Busse gab kein geringer als der umtriebige Regiestar Armin Petras seine Visitenkarte ab. Und dann auch noch mit „Antigone“, 2200 Jahre alter Theaterstoff aus der Feder von Sophokles, da hätte nicht nur der frühere Staatstheater-Intendant Kurt Josef Schildknecht mit seinem Faible für die alten Griechen seine Freude gehabt. Zumal Petras die guten alten Hölderlin-Übersetzungen auch gleich zur Seite legte, das Stück radikal auf zwei Stunden plus Pause einkürzte und seinen aktuellen Zugang mit seiner Neubearbeitung fand. Natürlich keine radikale Antigone, sie wehrt sich -um ihre beiden im Kriegsgetümmel gefallenen Brüder Eteokles und Polyneikes trauernd – gegen die neue Staatsraison. Denn Kreon, erfolgreicher Schlachtenlenker und frischgekürter Machthaber Thebens, will nur den einen, Eteokles ehrenhaft bestatten, den Leichnam des anderen freilich, den Überläufer Polyneikes, den Aasgetier zum Fraß überlassen. Das aber ruft die unerschrockene Antigone auf den Plan. Mutig sich für das Gesetz der Götter stark machend, bestattet sie ihren in Verruf geratenen Bruder Polyneikes und beschwört die erste massive Staatskrise für den zwischen Machtdurchsetzung und Skrupel lavierenden Kreon herauf. Petras, vielbeschäftigter Regisseur mit Ostwest-Erfahrung sowohl in der DDR wie in der Bundesrepublik, zuletzt mit Aufgaben am Berliner Maxim-Gorki-Theater, am Theater Bremen und aktuell am Staatstheater Cottbus, hat vor allen Dingen die Arbeit mit dem 50-köpfigen Chor aus Laiendarsteller gereizt, der dem schwankenden Staatsoberhaupt mal umschmeichelt, dann aber wieder die Leviten liest. Kreon kommt nicht zur Ruhe, die volle Schärfe seiner Gesetze gegen Antigone anzuwenden, zumal sein Sohn Hämon auch noch mit ihr liiert ist und mit ihrer Tat offen sympathisiert. Kreon holt den Rat des blinden Sehers Teiresias (Bernd Geiling) ein, schlägt ihn in den Wind. Am Ende kommt die bittere Einsicht für ihn zu spät: er wiegt seinen toten Sohn in Händen.
Armin Petras zeigt großes Theater in Saarbrücken. Malt aufwändige Bilder, gleich Gemälden der großen Schlachtenmaler der Kunstgeschichte in dem nicht minder geschichtsträchtigen Bühnenraum des Großen Hauses, von Julian Marbach mit klobigen Steinquadern ausgestattet. Maria Tomaiagas Video-Installationen sorgen für das Wechselspiel zwischen dem Gestern der Griechenzeit und den heutigen Kriegsschauplätzen unserer Moderne. Weitere Unterstützung kommt von den die Zeiten ausbalancierenden Kostümen von Cinzia Fossati, auch ihr gelingt der Sprung zwischen den Jahrtausenden. Das macht den Abend so einzigartig, so ungewöhnlich und ob seiner Bildersprache so eindringlich. Und natürlich haben daran auch die hinlänglich bewährten Kräfte aus den Reihen des Staatstheaters von Bernd Geiling (Teiresias) und Raimund Widra (Wächter) mit ihrer Präzision und Sprachkraft ihren gerüttelten Anteil. Gleiches gilt für Lea Ostrovskiy in der Titelrolle, für Anna Jörgens als Ismene und Verana Bukal (Eurydike), die starke Frauenrollen nuancenreich verkörpern. Bliebe noch der Lobgesang auf den Gast vom Bremer Theater: Simon Zigah war mit seiner atemraubenden Körperlichkeit, seiner Power, seiner machtstrotzenden Überheblichkeit, aber auch seiner Verletzlichkeit ein Kreon, der sich ins Gedächtnis einbrennt. Auch wenn man ihm die ein oder andere Schlampigkeit in der Aussprache nachsehen musste.
Burkhard Jellonnek
Weitere Informationen:
www.staatstheater.saarland, weitere Aufführungen am 13., 18., 22.09., 2., 8., 11., 19., 27.10., 06., 13.12.